Bergsteigen in der schottischen Hauptstadt? Geht! Der Arthur’s Seat liegt mitten im Zentrum Edinburghs. Und er birgt dabei manch gruseliges Geheimnis.
Als vor rund zweihundert Jahren fünf Buben an Edinburghs Hausberg spielten, machten sie eine Entdeckung: Ein kleiner Hohlraum in der Flanke des Arthur’s Seat war sorgfältig mit Schieferplatten versiegelt. Die Jungs waren natürlich neugierig – was würde sich wohl darunter verbergen? Also entfernten sie den Stein und darunter fanden sie – aufgestapelt in drei Lagen – siebzehn kleine Holzsärge. Jeder einzelne davon gerade einmal so groß, dass heutzutage eine Barbiepuppe hinein passen würde.
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Natürlich konnten die Kinder ihren makaberen Fund nicht lange für sich behalten, und so landeten die kleinen Särge bei Mr. Ferguson, ihrem Schullehrer. Der nahm die Holzkistchen sich in seiner Küche genauer unter die Lupe: Die Särge waren jeweils komplett aus einem Stück Holz geschnitzt, doch seitlich waren mit etwas Draht Scharniere angebracht. In ihnen musste sich also noch etwas verbergen.
Ferguson schnappte sich kurzerhand ein Küchenmesser, klemmte es in den Spalt und brach einen der Mini-Särge auf. Wie nicht anders zu erwarten war: Im Inneren lag ein Körper. Doch die Details waren erstaunlich. Es waren geschnitzte Holzpuppen, mit eigenen Gesichtern. Am Leib trugen die kleinen Leichen auch tatsächlich ein Totenhemd aus Baumwolle. Es war so, als hätte man da einen Puppenfriedhof im Arthur’s Seat entdeckt.
Seitdem die Särge im Jahr 1836 entdeckt worden waren, haben sich natürlich Historiker die Köpfe zerbrochen, was es damit auf sich haben könnte. Die meisten Theorien gehen davon aus, dass hier eine Beerdigung stattgefunden hatte für Menschen, deren echte Körper nicht mehr vorhanden waren – waren die Puppen also Statthalter? Wenn ja: Für wen?
Die Zahl Siebzehn ließ bald eine schaurige Vermutung aufkommen: Denn genau siebzehn Menschen hatten die beiden berüchtigten Serienkiller Burke und Hare in Edinburgh umgebracht. Deren Körper hatten sie jeweils für anatomische Studien verkauft. Die Opfer wurden also seziert und somit nicht ordentlich zu Grabe getragen. Wollte jemand also den Opfern der Killer die letzte Ruhe verschaffen? Vielleicht gar die Killer selbst, geplagt durch die Angst, ihre Opfer würden sie sonst als Geister heimsuchen?
Die Theorie ist sehr reizvoll, hat allerdings einen Haken: Die Puppen in den Särgen vom Arthur’s Seat waren alle männlich. Burke und Hare hatten aber auch Frauen getötet. So vermuten einige, dass die Bestattungen vielleicht für Matrosen gedacht waren, die auf hoher See verschollen waren. Beweisen lässt sich das im Moment aber auch nicht.
Immerhin verraten Untersuchungen, dass die Särge nur wenige Jahre im Arthur’s Seat gelegen hatten. Die kleinen Totenhemdchen wurden aus Baumwolle geschneidert, die erst ab 1800 in Großbritannien die Leine ablöste. Und der spezielle Faden dafür wurde erst ab 1830 produziert. So viel weiß man, doch am Ende bleibt der Zweck der Mini-Beerdigung weiterhin ein Rätsel.
Genauso rätselhaft ist auch der Verbleib von neun der Särge, denn nur acht sind heute noch übrig. Die befinden sich dafür nicht weit vom Fundort: Die National Museums of Scotland liegen nur wenige hundert Meter vom Fuße des Arthur’s Seat entfernt. Da man den eigentlichen Zweck der Särge nicht klären konnte, haben sich die Schotten wieder einmal im Reich ihrer Mythen bedient. Im Volksmund heißen sie „Fairy Coffins“ – „Feensärge“.
Wissen: Über den Arthur’s Seat
Der Arthur’s Seat liegt wirklich nahe dem Zentrum von Edinburgh bei der Old Town, Luftlinie zirka zweieinhalb Kilometer von Edinburgh Castle entfernt. Der Berg ist ein Überrest eines Vulkansystems aus der Zeit vor 350 Million Jahren, der später von Gletschern der Eiszeit in diese Form gebracht wurde.
Der Gipfel des Arthur’s Seat liegt auf 251 Metern Höhe, und im Prinzip ist der Arthur’s Seat nur ein Gipfel eines ganzen „Massivs“, das sich im Holyrood Park erhebt. Daneben liegen auch noch die Salisbury Crags, steile, zerklüftete Steinwände, die sich rund hundert Meter auftürmen und oben einen Tafelberg bilden.
Rund um den Arthur’s Seat und den Holyrood Park führt eine Ringstraße, an der zwei Seen liegen: St Margeret’s Loch und Dunsapie Loch.
Woher der Name „Arthur’s Seat“ kommt, ist nicht klar. Einige sehen da einen Hinweis auf den Sagenkönig Arthur. 1912 veröffentlichte John Milne ein Buch zu gälischen Ortsnamen, in dem er den Namen von „Suidhe Ard-Thir“ herleitet, zu Deutsch etwa „Platz auf hohem Grund“. Allerdings wäre die Wortfolge hier seltsam gewählt. Eine andere These hat der Historiker William Maitland bereits im 18. Jahrhundert aufgestellt. Demnach wäre der Name „Àrd-na-Said“, „Höhe der Pfeile“, eine Variante, die später zu „Archer’s Seat“ und später „Arthur’s Seat“ abgewandelt wurde.
Tipp: Der Blick vom Arthur’s Seat lohnt sich
Auf jeden Fall kann man einen Blick vom Berg genießen, wenn man einen guten und klaren Tag erwischt. Dann sieht man vom Gipfel die Burg und die Innenstadt auf der einen Seite und das Meer auf der anderen.
Grundsätzlich führen zwei Wege den Arthur’s Seat hoch: Relativ leicht geht es von der Ostseite ab Dunsapie Loch, denn von dort steigt der Berg zunächst sanft an. Südwestlich dagegen geht der direkte und steilere Weg in kleinen Serpentinen nach oben. Außerdem lässt sich auch ein längerer Spaziergang über die Salisbury Crags unternehmen. Die Route lässt sich hier in der Karte sehen.
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Aber ganz wichtig: Auch wenn rund 200 Meter Höhenunterschied für unsere Ohren nicht nach viel klingen, der Arthur’s Seat ist dennoch nicht zu unterschätzen. Denn beide Varianten enden unterhalb des Gipfels und die letzten Meter sind steil und es gibt nur schmale Pfade. Gutes Schuhwerk sollte man beim Erklimmen schon tragen. Eine Stunde Zeit sollte man mindestens einplanen – schon alleine, um sich oben ein wenig auszuruhen und den Blick zu genießen.
Übrigens sollte man während der Wanderung seinen Blick nicht nur in die Ferne schweifen lassen. Denn rund um den Berg sind auch schöne Blumen zu finden, wie der Fingerhut auf dem Foto rechts.
Persönliche Bemerkung: Am heißesten Tag auf den Berg
Zu dritt haben wir uns den Berg hochgewagt. Wir sind vom Queensdrive aus Richtung Innenstadt gekommen und wollten aber den leichten Weg hoch nehmen, deshalb mussten wir den Arthur’s Seat zunächst umrunden bis zum Dunsapie Loch. Von dort aus sind wir dann aufgestiegen. Das Gelände ist ein langer Berghang mit Wiese, auf dem uns schon viele Touristen entgegen kamen.
Darunter auch eine Gruppe Rugby-Fans, von denen einer einen Ball dabei hatte. Er wollte ihn seinen Kameraden weiter unten wohl per Kick zuschießen. Er hat sich gründlich vertan und das Ei landete irgendwo im Nirgendwo, die Reaktionen der anderen kann man auf diesen drei Bilder gut erkennen:
Allerdings ging es uns auch nicht nur gut bei der Wanderung. Denn wir hatten den heißesten Tag des Jahres zum Aufstieg gewählt, was uns vorher aber nicht klar war. Wir hatten darum keine Sonnenhüte dabei und auch keine Sonnencreme. So haben wir zwar den Gipfel erreicht, waren aber doch recht ausgepumpt durch die Hitze. Am nächsten Tag hatten wir zudem einen heftigen Sonnenbrand – für mich ein Novum in Schottland.
Der Ausblick ist die Mühen jedenfalls wert. Man kann im Norden den Holyrood Palace sehen, im Westen die Burg und in der Ferne das Meer. Grandios.
Anfahrt:
Mit dem Auto kann man zum Duke’s Walk oder gar bis zum Loch Dunsapie fahren und dort parken.
Ansonsten bringen einen auch viele Busse aus der Innenstadt ans Ziel. Zum Beispiel der Lothian Bus Service 14 nach Greendyke. Aussteigen kann man am Commonwealth Pool. Oder man nimmt die Linien, die an der North Bridge starten und die Clerkstreet entlang fahren bis East Preston Street. Details erfährt man auf der Seite der Lothian Busses.