MyHighlands.de

Auktion in Schottland: Besuch bei Great Western Auctions in Glasgow

In Schottland sind Antiquitäten-Auktionen volksnah, unterhaltend und äußerst faszinierend. Wir haben eine besucht und erzählen davon.

Stücke zur Versteigerung
Stücke zur Versteigerung

„Are you starting a party, my dear?“ – Ich bin wie versteinert. Hat sie mich tatsächlich angesprochen? Sie? Mich? Hier, während ich gerade eine Whiskysammlung begutachte?

Schottland Wandkalender 2025 in A3

Zwölf wunderschöne Motive aus Schottland mit der Isle of Skye, Isle of Mull, Stirlingshire und vielen anderen Orten. Alle Seiten hier ansehen:

Zum Kalender

Sie hat. Anita Manning, die Königin der Auktionen, scherzt und beginnt einen kleinen Schwatz mit mir. Die zierliche Dame mit schwarzem Haar und entwaffnendem Lachen ist in Großbritannien bekannt. Sie tritt in BBC-Shows wie dem Antiques Roadtrip oder Bargain Hunt auf – ein Muss für Freunde des kleinen Krims-Krams oder, wie es hier heißt, „Antiques, Collectables and Curiosities“.

Dass sie hier herumläuft und Menschen anspricht, ist nicht verwunderlich, befinden wir uns doch im Haus von Great Western Auctions, Inhaberin: Anita Manning. Doch überrascht mich immer wieder, wie offen und angenehm alle hier miteinander umgehen. Man stelle sich das in einem Auktionshaus in Deutschland vor, der Dünkel …

Meine Frau und ich sind also bei Great Western Auctions, es ist Mittwoch Abend, zwei Tage vor der Auktion. Der richtige Augenblick, sich registrieren zu lassen, eine Bieter-Nummer zu erhalten, den aktuellen Katalog abzuholen und sich die Antiquitäten vor Ort anzusehen. Sie sind alle im großen Raum dieser ehemaligen Kirche ausgestellt. Nur die Möbelstücke stehen ein Stockwerk tiefer.

Great Western Auction Raum

Es gibt hier Gemälde, Porzellan, Kerzenhalter, Silberwaren, kunstvolle Servierplatten … wertvolle Sachen wie Schmuck sind in Vitrinen untergebracht, Mitarbeiter händigen sie aber auf Nachfrage zum Begutachten aus. Japanische und schottische Schwerter hängen an der Wand.

Meine Frau ist auf der Suche nach einem Tea Caddy. Tea Caddies sind kleine Holzkistchen für Tee, meist nett verziert und mit kleinen Fächern. Drei Stück stehen hier, doch nur einer passt wirklich vom Design – außerdem sollte man aufpassen: Man kauft, wie gesehen. Defekte muss man also selbst vorher entdecken.

Die Auktion wird über drei Tage laufen, wir können nicht komplett vor Ort sein, auch nicht dann, wenn der Tea Caddy versteigert werden soll. Darum gibt meine Frau ein „Absent Bid“ ab, ein Gebot in Abwesenheit. Dazu füllt sie ein extra Formular aus, das sie dem Auktionator hinterlässt. Kommt das Stück dann unter den Hammer, wird das Gebot berücksichtigt. Im Zweifel bekommt sie den Zuschlag und kann es in den nächsten Tagen abholen.

Überhaupt muss niemand dort anwesend sein, um zu bieten. Sammler und Interessenten schalten sich über Telefon zu oder loggen sich im Internet ein. So kann es also zum Duell zwischen Anwesenden und Bietern aus der ganzen Welt kommen, die sich gegenseitig im Preis hochschaukeln.

Anita ist mittlerweile schon wieder weitergezogen, spricht mit einem anderen Auktionator.

Anita Manning und die Statue von Winston Churchill

Als ich zu ihr rüber schaue, bemerke ich die klobige kleine Statue von Winston Churchill auf dem Tisch – es ist das Prunkstück der kommenden Auktion, das stand sogar in der Zeitung.

Wir beschließen zu gehen und in zwei Tagen die Auktion zu verfolgen.

Der Tag der Auktion

Meine Frau hat den Katalog dabei, darin hat sie angestrichen, was wir gerne ersteigern wollen. Die Stücke werden dann immer mit Nummer vom Auktionator angekündigt und kurz beschrieben. Außerdem zeigt der Monitor ein Foto des Stücks.

Während der Auktion

Danach geht es zur Sache. Anita selbst übernimmt die ersten Versteigerungen. Sie wirft zunächst ein geschätztes Gebot in den Raum, auf das hin sich meist nichts regt. Alle wissen: Sie wird weiter nach unten gehen, bis der erste die Nerven verliert und bietet. Ab dann geht es wieder aufwärts mit dem Preis. Dabei hat die Auktionatorin nicht alle im Blick, sondern beißt sich meist an zwei oder drei „Streithähnen“ fest. Erst wenn die aufgehört haben sich hochzutreiben, kann ein neuer Teilnehmer wieder überbieten.

Geboten wird teils nur durch Nicken oder kurzes Heben des Zettels mit der Nummer darauf. Nur Neue im Rennen müssen sich zunächst deutlicher bemerkbar machen.

Wenn schließlich keiner mehr bietet, klingt das Ende so:

https://youtu.be/EhunIydvaTI

Im Video hebt eine Dame links zu spät die Hand – Pech! Wenn der Hammer fällt, ist es vorbei.

Uns sausen die Zahlen nur so um die Ohren. Meine Frau hat sich Höchstgebote für die Stücke gesetzt, über die sie nicht hinausgehen will – schließlich kommen Umtauschkurs und Gebühren noch zum genannten Verkaufspreis. Meist fangen die Gebote aber schon über dem an, was wir uns als Grenze gesetzt haben. Das frustriert.

Von der reinen Zuschauerperspektive aber ist es höchst unterhaltsam. Nicht nur, weil Anita Manning es versteht, mit der Spannung im Raum zu spielen, diese zu steigern, um sie bald wieder mit einem gekonnten Witz zu lösen, ehe es von vorne los geht. Auch wegen der Bietduelle im Raum. Da sind die Japaner, die sich mit anderen Sammlern um die Samurai-Schwerter streiten. Es geht schnell in die Zehntausende dabei. Beim Schmuck ganz ähnlich. Es gibt einige Stücke, deren Preis rasch fünfstellig wird. Während deren Versteigerung trauen wir uns nicht einmal zu zucken aus Angst, man könnte es als Gebot missverstehen.

Wir bleiben einige Stunden, ehe wir mit leeren Händen aber neuen Erfahrungen die Auktion verlassen. Wir wissen jetzt schon: Wir kommen wieder.

Ach, und die kleine Statue von Churchill? Bei ihrer Versteigerung sind wir nicht mehr dabei. Doch wir erfahren im Nachhinein, dass sie 31.000 Pfund erzielt hat, das entspricht etwa 42.000 Euro.

Die mobile Version verlassen