In den Highlands gibt es viele großartige Steinkreise, aber Callanish auf der Isle of Lewis ist anders. Viel komplexer und wilder.
Im Gegensatz zu anderen Steinkreisen sind die Stones of Callanish oder Gälisch „Calanais“ auf der Isle of Lewis nicht ebenmäßig behauen – das verleiht den einzelnen Steinen einen ganz eigenen Charakter. Zudem besteht Callanish nicht nur aus einem simplen Kreis, sondern aus mehreren miteinander verwobenen geometrischen Formen, in deren Zentrum ein großer Monolith von viereinhalb Meter Höhe steht. Ein echter Steinriese. Die umgebenden Menhire sind niedriger, sodass es fast aussieht, als würde sie zur Mitte hin ansteigen.
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Überhaupt läuft alles auf dieses eine Zentrum zu: Aus drei Seiten treffen sich lange Linien in der Mitte, vom Norden her kommt sogar eine Art Allee aus Steinen auf den Kreis zu. Würde man als Vogel darüber fliegen, könnte man erkennen, wie die Monolithen die Form eines gigantischen Keltenkreuzes bilden.
Dabei hatten die Kelten oder gar die Gälen herzlich wenig mit dem Gebilde zu tun. Denn das gigantische Monument aus rund 50 Steinen wurde bereits vor zirka 5000 Jahren errichtet, also in der späten Steinzeit – von Kelten gab es da noch weit und breit keine Spur in Europa.
Man weiß sowieso nur wenig bis gar nichts über die Menschen, die Callanish gebaut haben. Aber man weiß etwas über das Land, auf dem sie damals lebten. Das war nämlich wesentlich fruchtbarer als heute und das Klima insgesamt deutlich freundlicher. Das Meer lag tiefer, das Land war voller Wild und Pflanzen.
Lewis war damals also ein guter Platz zum Leben.
Wofür der Kreis errichtet wurde? Auch hier können die Wissenschaftler nur vermuten. In Zeiten der Himmelskulte scheint einigen die Idee am naheliegendsten, dass mit Callanish die Mondphasen verfolgt wurden.
Stephen Whitehead etwa belegte, dass der östliche Arm des Kreuzes den Vollmond zur Tag- und Nachtgleiche im Herbst zeige und somit ein wichtiger Punkt zwischen Ernte und Winterzeit war.
Eine weitere Theorie besagt, dass die Steine dabei helfen, den Augenblick vorauszuberechnen, wenn der Mond auf den nahen Hügeln im Süden zu tanzen scheint. Das ist alle 18,6 Jahre der Fall. Die Idee ist, dass die damaligen Menschen glaubten, der Mond würde dann die Erde besuchen. Die genaue Nord-Süd-Ausrichtung Callanishs gibt dieser Theorie eine gewisse Nahrung.
Doch eine Besonderheit scheint so gar nicht dazu zu passen, denn in der Mitte des Kreises findet sich eine Grabkammer – völlig unüblich für diese Steinkreise. Diese Kammer wurde allerdings erst einige Generationen nach dem Bau des großen Monuments hier eingelassen. Auch dafür sucht die Wissenschaft noch eine Erklärung.
Persönliche Anmerkung: Wunderbare Landschaft
Dieser Steinkreis ist fantastisch, vermutlich der schönste, den ich in Schottland gesehen habe neben dem Ring of Brodgar. Dazu trägt auch die wesentlich wildere Kulisse bei, denn Callanish ist eine Halbinsel, die in das Meeresloch Roag oder Loch Ròg an Ear hineinragt. Die Hügel von Lewis geben diesem Blick noch den passenden Rahmen.
Ich durfte das erste Mal bereits 1994 hier sein. Damals habe ich noch Dias geschossen. Hier eine Aufnahme aus der Zeit.
Wissen: Alter und Name von Callanish
Callanish (im Gälischen „Calanais“) bedeutet simpel die „Halbinsel des Kalas“. Der Steinkreis datiert auf etwa 4000 vor Christus und ist der besterhaltenste aus seiner Zeit. Es stehen noch alle 13 Steine des Hauptkreises im Gegensatz zu seinen Verwandten auf Orkney. Die Anlage ist auch deshalb noch so gut erhalten, weil sie vollständig von Torf eingeschlossen war.
Erst 1981 wurde sie komplett davon befreit, und mittlerweile kommen zirka 40.000 Besucher jährlich.
Seit 1995 gibt es ein Visitor Centre bei Callanish (ich war auch schon vorher da) samt einem kostenlos nutzbaren Parkplatz. Darin auch Geschenkladen und – natürlich – ein Coffee-Shop.
Tipps: Weitere Steinkreise in der Umgebung
Eigentlich umfasst Callanish (Calanais) nicht nur einen Steinkreis, sondern ist ein ganzer Komplex. Der Hauptkreis wird daher Calanais I genannt und ist natürlich der bekannteste. Doch auch bei einigen der über zehn anderen lohnt sich ein Besuch.
Calanais II und III lassen sich recht einfach von der Straße aus erreichen. Kommend von Geàrraidh na h-Aibhne (Garrynahine) erscheint links das Hinweisschild „Cnoc Fhillibhir Bhig, Calanais III“. Genau davor ist eine kleinere Parkbucht. Von hier aus geht es durch ein kleines Tor, der Steinkreis ist bereits zu sehen. Das ist Calanais III.
Von da aus sind es rund 300 Meter über einen Fußpfad teils mit Bohlen ausgelegt zum Steinkreis Calanais II. Der Steinkreis ist dabei auch schon von der Anhöhe von Calanais III zu sehen.
Besonders interessant ist der Stein, der wie ein Reißzahn auszusehen scheint (auf dem Bild links).
Zurück geht es wieder über Calanais III und zur Parkbucht.
Wer auch Calanais IV noch sehen möchte, muss nach Geàrraidh na h-Abihne und dann Richtung „Bearnaraigh agus Uig“ abbiegen. Nach zirka einer Meile oder 1,5 Kilometer ist links ein kleiner Parkplatz, der eher an eine Einfahrt erinnert. Rechts geht es den Hügel hoch zum Steinkreis.
Eine Liste aller Calanais-Steinkreise gibt es auf dieser Seite relativ weit unten.
Anfahrt:
Mit Navigationsgerät: „HS2 9DY“ eingeben. Das bringt einen bis nach Callanish. Dort den Hinweisschildern zum Besucherzentrum folgen und auf dem Parkplatz kostenlos stehen bleiben.
Ohne Navi: Von der Hauptstadt-Stornoway im Kreisverkehr Richtung Tarbert fahren. Sobald das braune Schild „Ionad Tursachan Chalanais“ auftaucht, links abbiegen und den weiteren Schildern folgen (ist gut ausgeschildert). Nur zum Schluss muss man aufpassen, dass man nicht ans Pier von Callanish fährt, sondern den Parkplatz findet. Insgesamt sind es zirka 25 Kilometer.