Wie eine schwarze Geisterburg thront die Carnasserie Castle auf einer Anhöhe. Doch einst war sie bunt und voller Leben.
Große Fenster in großen Räumen, mit Holz vertäfelte Wände und Plattformen, die den Blick auf die wunderbare Landschaft des Kilmartin Glen eröffnen. Carnasserie Castle ist ein typischer Renaissance Bau aus dem Jahr 1560 und sollte mit all seiner Üppigkeit die Wichtigkeit ihres Herren ausdrücken: des 5. Duke of Argyll, Archibald Campbell.
Schottland Wandkalender 2025 in A3
Zwölf wunderschöne Motive aus Schottland mit der Isle of Skye, Isle of Mull, Stirlingshire und vielen anderen Orten. Alle Seiten hier ansehen:
Wer sich aber heute der Carnasserie Castle nähert, sieht nichts mehr von der Opulenz der Burg. Stattdessen fühlt sich der Besucher so, als würde er die schmale Treppe zu einem Geisterschloss hinaufsteigen. Ein schwarzer Kasten mit leeren Fensterhöhlen und bröckelnden Mauern. Was ist passiert?
Auch wenn der Duke of Argyll Eigner der Burg war, war ihr Bauherr Bischoff John Carswell. Beide – Campbell und Carswell – hatten hier nicht nur den schönen Blick im Kopf, als sie die Burg erbauen ließen. Sie hatte auch eine hervorragende strategische Lage, die den Weg durch das Tal zum Meer kontrollierte.
Und sie fungierte für beide als ein wichtiger Punkt, von dem aus sie die Reformation im Land verbreiteten. Denn die Campbells waren Protestanten. Und hier lag dann auch das Problem. Denn James VII von Schottland und II von England war Katholik. Der Konflikt war vorprogrammiert.
Als der Duke of Argyll 1685 gegen den König eine Rebellion anzettelte, schlossen sich die damaligen Besitzer der Burg an, die Campbells von Auchinbreck. Die Antwort war, dass königstreue Männer der MacLeans die Burg plünderten und anschließend in Brand steckten. Der Besitzer war finanziell ruiniert und hatte kein Geld mehr. Carnasserie wurde daher nicht mehr repariert.
Es blieb die schwarze Ruine.
Besucher können aber heute noch die einstiege Schönheit erahnen. Zum Beispiel lag hinter dem Tor und der verfallenen Mauer einst ein gepflegter Garten. Im Tor eingraviert sind die Kürzel der damaligen Besitzer.
Auch bei der relativ kleinen Eingangstür gibt es Hinweise auf den einstigen Prunk. Über ihr wölben sich Gebilde aus der Wand, die an zwei übereinander liegende Kamine erinnern. Tatsächlich waren es Rahmen für die Wappen der Burgherren.
Durch sie betritt der Besucher die heute karge Welt der Burg, die nur durch interessante und bebilderte Infotafeln wieder ins Leben gerufen werden kann. Ob Küche oder Speisezimmer, Kammern und Schlafzimmer – in allen grüßt nur kalter Stein.
Ein Highlight aber erwartet einen noch am Ende der Wendeltreppe: der Blick über Kilmartin Glen!
Ein Besuch in der Carnasserie Castle lohnt sich alleine schon deswegen – aber nicht nur.
Wissen: Carnasserie und die Bibel
Trotzdem die Campbells per se den Lowlands sehr zugewandt waren, hatten sie und die Burg Carnassarie eine große Rolle für die gälische Bevölkerung gespielt. Denn auf Càrn Àsaraidh (die gälische Form des Burgnamens) schrieb Bischoff Carswell das erste Buch, das in gälischer Sprache gedruckt wurde.
Wie schon gesagt: Carswell wollte die Reformation verbreiten, auch in der gälischen Bevölkerung. Darum übersetzte er das „Book of Common Order“, das John Knox in Edinburgh verfasst hatte – quasi eine Anleitung zum Gottesdienst. Carswell transferierte das Werk in Gälisch und übergab es Campbell. Gedruckt wurde es 1567 in Edinburgh.
Aufstieg zur Burg: Ein kurzer Weg
Vom Parkplatz aus sind es zirka 500 Meter guten Schotterwegs einen Hügel hinauf. Zuerst geht es durch den V-förmigen Mauerdurchgang auf den Weg, dann bergauf. Man erreicht den parallel zur Straße verlaufenden Weg durch das Kilmartin Glen.
Es geht halb rechts weiter leicht bergauf, links erscheint dann bald die Burg, zu der die schmale Treppe hinaufführt.
Anfahrt:
Mit Navigationsgerät: „PA31 8RQ“ eingeben bringt einen in die Gegend.
Ohne Navi: Der Parkplatz liegt an der A816, die durch das Kilmartin Glen verläuft. Man fährt sie zum Beispiel, wenn man von Oban nach Kennacraig zur Islay-Fähre will oder nach Lochgilphead.