Einst schützten sie die Flanke von Scapa Flow, dem großen natürlichen Hafen der Orkneys. Heute sind sie bequeme Übergänge zwischen den Inseln: Die Churchill Barriers haben eine bewegte Geschichte.
Scapa Flow war ein sicherer Hafen. Sicher vor den Deutschen – mochten sie noch so viele U-Boote haben. Schon im ersten Weltkrieg hatten sie versucht hier einzudringen und anzugreifen. Sie waren kläglich gescheitert, hatten zwei Schiffe verloren. Unterirdische Netze, Schiffwracks, Patrouillienboote und eine starke Strömung machten die Bucht uneinnehmbar.
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Scapa Flow, war ein sicherer Hafen – bis zu dieser wunderschönen Neumondnacht, in der die Polarlichter grüne Schleier über den Himmel zauberten.
Bis zu dem Knall.
Es musste eine Maschine detoniert sein, oder jemand war leichtsinnig mit der gelagerten Munition umgegangen. Gespanntes Lauschen … Stille. Es war nur diese eine Explosion. Das war kein Angriff, sonst würden doch mehr passieren. Und überhaupt: Scapa Flow war sicher!
Die Polarlichter …
Da: Eins … zwei … drei weitere Explosionen. Flammen tauchten die Royal Oak in ein schauriges Orange. Sie neigte sich zur Seite. Sirenen heulten in die Nacht. Schreie.
Scapa Flow war kein sicherer Hafen.
Wissen: Der Angriff von U47 und Churchills Barrieren
Am 13. Oktober 1939 versenkte das U-Boot U47 unter Kommandant Günther Prien das britische Schlachtschiff HMS Royal Oak. Trotz der ungewöhnlich hell erleuchteten Nacht gelang es ihm aufgetaucht in den großen Naturhafen Scapa Flow einzudringen. Kein Patrouillenboot bemerkte ihn und so feuerte er zunächst drei Torpedos auf die Royal Oak. Nur einer traf das Schiff vermutlich an der Ankerkette. Die Besatzung dachte, die Explosion sei durch Kerosin oder ähnliches Pulver im Magazin passiert. Als man jedoch nichts feststellen konnte und keine weiter Gefahr sah, legten sich die meisten Besatzungsmitglieder wieder in ihre Kojen.
Prien fuhr eine Schleife und schoss nach einer Viertelstunde eine erneute Salve – diesmal traf er. Eine Feuerwand schoss durch die Royal Oak, das Schlachtschiff neigte sich zur Seite und versank bald darauf. Es nahm 833 Seeleute mit in den Tod, über hundert davon waren erst unter 18 Jahre alt.
Aus diesem Desaster für die britische Marine zog einer seine Lehren: Winston Churchill, damals noch Erster Lord der Admiralität, ordnete an, dass die östlichen Inseln bei Scapa Flow durch massive Barrieren zu verbinden seien. Zwischen den Orkney-Inseln South Ronaldsay, Burray, Glimps Holm und Lambs Holm sollten Dämme aufgeschüttet werden.
Die Bauarbeiten dauerten den ganzen Krieg durch und wurden teilweise mit der Hilfe italienischer Kriegsgefangener durchgeführt.
250.000 Tonnen Geröll wurden in Drahtschotterkästen gepackt und in die bis zu 18 Meter tiefe See versenkt. Sie dienen als Basis der Dämme. Darauf wurden weitere 66.000 Betonblöcke geschichtet. Zeitweise mussten sich über 2.000 Menschen am Bau beteiligen.
Erst vier Tage nach Kriegsende waren die Churchill Barriers dann fertig. Doch was aus der Not des Krieges heraus entstand, ist heute ein Segen für die Bewohner der kleinen Inseln: Eine Straße verläuft auf der Krone der Dämme und verbindet sie nun mit der Hauptinsel. Ein Glück auch für Touristen, denn diese Straße macht erst die Fährverbindung von South Ronaldsay zum schottischen Festland möglich.
Tipp: Stopp vor den Barrieren
Man kann die Geschichte der Churchill Barriers tatsächlich „erfahren“: Vor jedem der Dämme ist eine Tafel aufgestellt, die ein Stück mehr Hintergrund und Wissen preisgibt. Ein Stopp lohnt sich.
Persönliche Anmerkung: Eine bescheidene Attraktion
Erst durch das Hintergrundwissen um Scapa Flow und die HMS Royal Oak entstehen aus den Steinwällen im Wasser spannende Zeugnisse der Geschichte. Darüber gefahren bin ich schon einige Male, doch erst beim letzten Mal, konnte ich die rostigen Wracks und Betonquader richtig als Sehenswürdigkeit begreifen.
Ohne dieses Wissen sind die Churchill Barriers für viele eine bescheidene Attraktion.
Anfahrt:
Mit Navigationsgerät: „KW17 2RU“ bringt einen bis nach St. Mary’s. Von hier aus geht der erste Damm los – aber nicht die Hauptstraße verlassen.
Ohne Navi: Von Kirkwalll aus der A961 nach St. Mary’s folgen. Nach etwa 11 Kilometern kommt man an die Barriere nach Lamb Holm.