Zwischen den Inseln Scarba und Jura vor der Westküste Schottlands treffen die Meeresströmungen wild aufeinander. Sie formen den drittgrößten Meeres-Strudel der Welt. Und unser Boot fährt mittenrein.
Es ist ein Ort, den Seefahrer über Jahrhunderte mieden und fürchteten. Die britische Marine zeichnete diese Meeresenge über Jahrhunderte als unpassierbar aus: die Straße von Corryvreckan zwischen den Inseln Jura im Süden und Scarba im Norden.
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Und doch fahren hier Menschen heute bewusst hinein. Denn der Whirlpool von Corryvreckan ist eine Besucher-Attraktion – natürlich mit sicheren Schiffen. Eines wie zum Beispiel die „Venture-West“, die von Crinan aus in See sticht.
Zunächst ist die See ruhig, geschützt durch die Bucht rund um Crinan. Es ist gutes Wetter und die See bleibt auch außerhalb der Bucht ruhig. Dennoch gibt es einen kurzen Schreckmoment, als der Skipper unverdrossen auf einen Fels zuzuhalten scheint, ehe er dort durch eine schmale Passage zwischen den zwei Eilanden Eilean Cille und Garbh Rèisa schlüpft.
Zur Belohnung für den Schreck posieren Seehunde hier und auch an weiteren Orten der Tour auf den Felsen.
Dann erreicht das Boot die Küste von Jura. Noch ist es ruhig, doch an der Nordspitze beginnt die ruhige See sich wie aus dem Nichts aufzurauen. Wellen schlagen an die Küste, obwohl kaum Wind herrscht. Das Boot hat den Corryvreckan erreicht.
Jetzt beginnt die wilde Fahrt, einmal rund um den Strudel und jeder an Bord erahnt, warum normale Seefahrer diese Meerenge meiden. Plötzlich droht eine Wand aus Wasser hinter einem, als befände man sich in einem Tal und ein Berg türme sich hinter einem auf.
Die seltsamen Wellen brechen sich gewalttätig an scharfen Felsen, die mitten im Meer auftauchen, alles kocht, brodelt, zischt.
Tatsächlich hören die Inselbewohner den Corryvreckan kilometerweit, wenn er wirklich stark ist. Seine Strömungen können immerhin Geschwindigkeiten von um die 14 Stundenkilometer betragen.
Doch nicht immer sind im Corryvreckan Strudel zu erkennen. Es kommt auf den Wind und auch auf die Mondposition an, wie stark der Malstrom hier wird. Doch spüren und sehen wird man auf jeden Fall etwas.
Dann erscheint aus dem Nichts plötzlich eine Art stehende Welle, die sich endlos zu brechen scheint. Das Boot hat „The Great Race“ erreicht. Sie wird erzeugt, wenn die Flut aus Osten kommend gegen den Wind und die Flut aus dem Westen drückt. Selbst ohne Strudel beeindruckt diesen Phänomen nachhaltig.
Irgendwann ist der Corryvreckan dann einmal umrundet, die Gewässer beruhigen sich, der Skipper nimmt Kurs entlang der Ostküste Scarbas. Die Insel ist bekannt dafür, dass auf ihr Seeadler nisten. Mit etwas Glück posieren sie für die Bootsfahrer.
Solche Bilder nehmen die Zuschauer so gefangen, dass sie gar nicht bemerken, dass sie in die nächste Gefahr schippern. Denn oberhalb Scarbas entsteht wieder eine heftige Strömung – scherzhaft „der kleine Corryvreckan“ genannt.
Doch die Wucht ist freilich nicht zu vergleichen. Endlich nimmt die Venture-West wieder Kurs auf den Hafen von Crinan. Vorbei an einigen schönen Häusern an der Küste von Craignish.
Ganz am Ende fährt das Schiff noch am Ausgang des Crinan Kanals vorbei.
Nach gut zweieinhalb Stunden Fahrt erreicht die Venture-West wieder Ihren Liegeplatz. Das Abenteuer Corryvreckan ist zu ende, die Bilder und das Gefühl des drittgrößten Malstroms der Welt aber werden im Gedächtnis bleiben.
Wissen: Wie der Wirbel im Corryvreckan entsteht und eine Legende
Der Name Corryvreckan ist – wie so oft – einfach die phonetische Entsprechung eines gälischen Wortes: „Coire Bhreacain“ heißt „gefleckte Talsenke“.
Was erzeugt nun den Malstrom zwischen den Inseln Scarba und Jura? Zum einen natürlich die Meerenge. Wie schnell das Wasser in solcher einer Enge werden kann, zeigt Caol Ìle (gesprochen in etwa „kööl Ihle“), die Enge zwischen Islay und Jura. Doch dort entstehen keine Wirbel.
Der Strudel im Corryvreckan wird durch besondere Gesteinsformationen am Boden der Meeres-Straße erzeugt. Im Dezember 2012 haben Forscher das Geheimnis gelüftet, indem sie ein exaktes Sonarbild erzeugen konnten. Die erste Überraschung dabei: die oft für den Effekt verantwortliche Felsnadel existiert gar nicht. Stattdessen verläuft die Strömung in einer Rinne, die bis zu 200 Meter tief ist und dann auf eine Klippe trifft, die von Scarba aus ins Meer ragt.
Natürlich gibt es auch eine Legende um so einen Ort. Der norwegische Prinz Breakan soll um die Hand einer Prinzessin angehalten haben, die von Jura kam. Ihr Vater stimmte zu unter der Bedingung, dass Breakan im Corryvreckan ankere – drei Tage und Nächte lang. Mit damaligen Booten war das eine harte Prüfung. Der Prinz bereitete sich vor und ließ drei Seile flechten: eines aus Hanf, eins aus Wolle, eins aus den Haaren norwegischer Jungfrauen.
Breakan warf das erste Seil mit dem Anker aus. Es hielt einen Tag und eine Nacht, dann riss es. Er warf das Wollseil aus. Auch dieses hielt einen Tag und eine Nacht. Dann warf er das Seil aus Jungfernhaar aus. Beim ersten starken Wind riss es – der Prinz wurde vom Malstrom unter Wasser gezogen und ertrank.
Als die Kunde Norwegen erreichte, gab sich eine der Frauen die Schuld, aus deren Haar das Seil gewoben war. Sie war wohl nicht mehr so jungfräulich, wie sie vorgegeben hatte.
Eine weitere, wohl wahre Geschichte: Schriftsteller George Orwell, der auf Jura seine Dystopie 1984 beendete, fuhr einst mit einem kleinen Boot in den Corryvreckan und hätte dabei fast sich, seinen Sohn, seine Nichte und seinen Neffen umgebracht. Orwell wählte jedoch die falsche Zeit, um die Meerenge zu passieren und kenterte. Die Familie konnte sich aber an die Küste retten.
Der Corryvreckan dient übrigens mittlerweile auch als Namensgeber für einen Ardbeg-Whisky.
Anfahrt:
Natürlich nur per Boot. Anbieter gehen ab von Crinan mit Venture West, von Oban mit Seafari, von Jura mit Jura-Boat-Tours und aus.