Ein stolzes Prunkschloss auf einer hohen Klippe, umgeben von wunderbaren Gärten – das ist Culzean Castle im Westen Schottlands. Besucher erwartet hier Besonderes.
Es wurde Zeit für ein neues Meisterstück! Denn in den letzten Jahren war dem berühmten Architekten Robert Adam das Glück nicht mehr Hold. Er hatte bereits an so vielen Häusern mitgearbeitet und es gab so viele Architekten, die seine Arbeit kopiert hatten, dass sich die Leute an Adams Stil satt gesehen hatten. Hinzu kam noch eine Fehlspekulation, die ihn zwar nicht ruiniert hatte, aber Auftraggeber abschreckten.
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Doch mit Culzean Castle hatte er eine neue Chance bekommen – und er würde sie nützen!
Man schrieb das Jahr 1777 und der 10. Earl of Cassillis, David Kennedy, wollte seine Burg zeitgemäß umbauen lassen. War sie einst auf die steile Klippe gesetzt worden, um Feinden standzuhalten, sollte sie nun Freunde beeindrucken und unterhalten. Aus der Burg sollte also ein angemessener Herrensitz werden.
Was Adam die nächsten zwei Jahrzehnte vollbrachte, zieht noch heute Besucherscharen an. Culzean Castle ist die am zweithäufigsten besuchte Sehenswürdigkeit des National Trust of Scotland mit rund 230.000 Besuchern im Jahr. Und alles nur, weil Adam so gute Arbeit leistete.
Culzean Castle kann man nur in Verbindung mit den Gärten und der umgebenden Natur verstehen. Als Adam sich an seinen letzten Entwurf machte, rollte in Schottland gerade eine Romantik-Welle an, die die wilden Highlands wieder in Mode kommen ließen – nachdem man sie seit der Schlacht von Culloden ja eher verteufelt hatte. Jetzt aber sollte also Wildheit und Natur mit feiner Baukunst harmonieren. Und das gelang Adam.
Besucher heute können das auch erleben, wenn sie sich Culzean Castle über das vorgelagerte Viadukt nähern: Zunächst sehen sie das Haus durch einen verfallenen Torbogen, der als Rahmen dient. Dann – auf dem Viadukt – erkennen sie die Größe des Hauses und der Gärten. Schließlich fahren sie auf den seitlichen Hof ein, und es eröffnet sich der fast unendliche Blick über das Meer.
Es gibt hier also keine pompösen Flügeltüren am Ende einer großen Treppe – der Hof mit seinem Blick erledigt das. Besucher treten durch eine ebenerdige Glastür in eine eher wenig beeindruckende Empfangshalle. Im 18. Jahrhundert wären sie dann als nächstes in das wiederum beeindruckende Treppenhaus gekommen. Adam schuf so ein ständiges Wechselbad aus Entspannung und Erstaunen.
Besucher heute werden hier allerdings anders geleitet – beeindruckend wird es dennoch. Denn es geht zunächst in eine riesige Waffensammlung. Der 12. Earl of Cassillis hat hier alte Waffen-Bestände aufkaufen lassen. Kurzsäbel und Pistolen sind in Mustern an der Wand arrangiert.
Auch das Familien-Wappen der Kennedys ist davon umgeben.
Nur die Feder ist mächtiger als das Schwert. Hinter der nächsten Tür wartet die Bibliothek und das Arbeitszimmer.
Wer arbeitet, muss essen: Der Speisesaal.
Wie in jedem Schloss lohnt es sich, die Auslagen genauer zu begutachten. Zum Beispiel die silberne Uhr auf dem Sideboard.
Und auch der Blick an die Decke offenbart Wunderschönes.
Diese Verzierung zeigt, wofür das Design und der Stil von Adam steht: das bis dahin überbordende Rokoko zwängte er in einen feineren und reduzierteren Stil.
Erst nach dem Speisesaal dürfen die heutigen Touristen das sehen, was frühere Besucher schon direkt nach der Eingangshalle bestaunten: das große Treppenhaus.
Einst war dieser Bereich der Innenhof der Castle, der hässlichste Bereich. Adam wandelte ihn in ein beeindruckendes Prunkgebilde um, das alle klassischen Säulenarten umfasst: ionisch, dorisch und korinthisch. Abgeschlossen wird das Treppenhaus oben durch eine ovale Glaskuppel.
Gegenüber der Treppe selbst hängen wiederum die Wappen der beiden wichtigen britischen Ritterorden, Order of the Thistle und den Hosenband-Orden.
Auch im zweiten Stock blendet einen die prachtvolle aber nicht überladene Ausstattung der Räume.
Die Üppigkeit der Räume, das Ehrfurcht gebietende Treppenhaus, all das war gemacht, um gesehen zu werden. Es waren große Räume für einige wenige Menschen: den Earl, seine Familie und seine Gäste. Doch neben dieser sichtbaren Welt verbirgt sich in Culzean Castle ein unsichtbares Paralleluniversum. Das der Dienerschaft. Von den 85 Räumen der Burg, nutzten 36 der Earl, seine Familie und Freunde. Aber weitere 22 nahmen die bis zu neunzehn Diener in Beschlag, die damals hier angestellt waren. Diese Räume waren keineswegs Wohnräume der Diener. Die Küche zum Beispiel zählte auch dazu.
Die Diener kamen und gingen durch versteckte Türen und selbst für den Weg über den Hof legte Adam eigene Wege an, über die die Gefolgschaft unsichtbar für die Herrschaft zum Stallgebäude wechseln konnte.
Die Diener schliefen meist auf dem Boden. Es gab auch ein klares und strenges Regelwerk, das ebenfalls die Diener quasi aus der Sicht der Herrschaften verbannte:
Andere lebten noch weiter weg von den Herrschaften – sicherheitshalber. Unten an der Bucht steht ein Haus mit einem Schornstein. Hier wurde ab dem 19. Jahrhundert Kohlegas produziert, das zur Castle geleitet wurde, wo es Gaslichter bis ins Jahr 1947 befeuerte. Der Wärter lebte direkt nebenan in einem eigenen Häuschen.
Die Gasmaschinerie stand nicht umsonst unten an der Bucht. Erstens war es aus dem Blick der Herrschaften, zweitens würde bei einer Explosion das Schloss nicht im Mitleidenschaft gezogen werden und drittens wurde die nötige Kohle per Schiffen direkt in der benachbarten Bucht angelandet.
Allerdings hatte Robert Adam mit diesem Wunderwerk der Technik nichts mehr zu tun. Und auch sein Auftraggeber nicht mehr. Beide starben im Jahr 1792, noch bevor Culzean vollendet war. Am Ende seines Lebens war David Kennedy hochverschuldet, sein Cousin und dessen Erben aber führten sein Werk fort. 1945 schenkte die Kennedy-Familie die oberen Räume von Culzean Castle dem amerikanischen Präsidenten Eisenhower als Dank für seine Dienste im zweiten Weltkrieg. Heute ist dort das Eisenhower Hotel untergebracht.
Der gesamte Sitz samt Gärten und Nebengebäuden gehört heute dem National Trust for Scotland, der sich um den Erhalt kümmert.
Und der Architekt Robert Adam? Er hatte tatsächlich erreicht, was er sich wünschte. Culzean Castle gilt heute als ein Paradebeispiel für seinen späten Stil, der Beachtung in der gesamten damaligen westlichen Welt fand.
Wissen: Wie spricht man das Zett in Culzean Castle?
Zunächst einmal kommt einem am Zett nichts ungewöhnlich vor, bis man die Guides den Namen einmal sagen hört. Die sprechen es nämlich in etwa „kuLAJEN“ aus. Keine Spur eines Zetts. Und auch in den früheren Jahrhunderten schrieb sich das Schloss „Cullean“. Erst später änderte sich die Schreibweise. Dabei handelt es sich aber nicht um ein Zett, sondern um ein Yogh oder Ȝ. Das war ein eigenständiger Buchstabe im Mittelenglischen, der irgendwo um g und j rangiert. Heute ist er nicht mehr gebräuchlich, im Fall unserer Castle wurde er mit einem Zett dargestellt.
Persönliche Anmerkung: Spaßiger interaktiver Guide
Der National Trust for Scotland (NTS) kümmerst sich sehr um diese so wichtige Sehenswürdigkeit. Da die Besucherzahlen zweitweise abnahmen, führt der NTS immer wieder Neuerungen ein. Zum Beispiel den riesigen Kinderspielplatz.
Mir hat sehr gut der elektronische Guide gefallen, der nicht nur sehr gute Infos vermittelte, sondern auch das ein oder andere Spiel mit einbrachte:
Beeindruckend finde ich den Aufwand, mit dem hier die Altertümer erhalten werden, ohne sie dem Besucher vorzuenthalten. So läuft man hier fast unbemerkt auf einem detailgetreuen Nachdruck von Teppich und Boden, was sich nur an einigen Stellen erkennen lässt:
Tipp: Genug Zeit für die Gärten mitbringen
Natürlich sind Castle und die Gebäude mit das wichtigste. Sollte das Wetter aber stimmen, lohnt sich ein Spaziergang durch den Park und entlang der Bucht. Mit etwas Glück erhascht man einen guten Blick auf Culzean, wie es auf den Klippen steht. Vielleicht sieht man unten die Höhlen, die in diesen Klippen existieren und die früher für das Schmuggeln genutzt wurden – ein Geist soll dort übrigens auch hausen. Zurück an der Castle kann man sich dann im angeschlossenen Café ein Heißgetränk und einen Kuchen gönnen.
Wenn man dort keinen Platz findet, gibt es auch im ehemaligen Brauhaus nahe des Parkplatzes ein Selbstbedienungsrestaurant.
Anfahrt:
Mit Navigationsgerät: „KA19 8LE“ bringt einen ganz in die Nähe.
Ohne Navi: Von Ayr kommend auf die A719 fahren und dann bei den Hinweisschildern abbiegen. Achtung: Bezahlen bei der Einfahrt oben in den Parkbereich. Parken ist dann nahe dem Brauhaus.