Ein uraltes Gebäude steht an der Straße am Loch Lomond – das Drovers Inn bietet Gastfreundschaft seit Jahrhunderten. Sogar Geistern und Promis, heißt es.
Vorsicht beim Eintreten! Direkt hinter dem Eingang lauert ein Grizzly-Bär. Drohend erhebt er eine Pranke und reißt sein Maul auf. Nur etwas steif wirkt er. Kein Wunder: Das Tier ist ausgestopft. Gott sei dank. Und er ist nicht allein.
Schottland Wandkalender 2025 in A3
Zwölf wunderschöne Motive aus Schottland mit der Isle of Skye, Isle of Mull, Stirlingshire und vielen anderen Orten. Alle Seiten hier ansehen:
In Schaukästen rund um den Eingang tummeln sich ausgestopfte Katzen, Marder, Vögel und mehr. Dazwischen Waffen, Rüstungen und Uniformen. Besucher schwanken hier zwischen Faszination und Grusel.
Und das alles war nur der Eingangsbereich des Drovers Inn. Wer dem Lärm nach links folgt, landet in der Bar des Hauses. Samstag abends ist es hier meist brechend voll, Live-Musik heizt den Gästen ein. Unter denen verstecken sich sogar manchmal Berühmtheiten – der Schauspieler Gerard Butler wurde schon häufiger hier gesehen. Berühmte Besucher gab es im Drovers Inn schon immer. Der Gesetzlose Rob Roy MacGregor, der unweit von hier am Loch Katrine lebte, soll hier ebenfalls eingekehrt sein.
Zwischen den Gästen wuseln die Bedienungen durch, die ganz im Charme des Inns bleiben. Traditionelle Kilts sitzen auf den Hüften stark tätowierter Frauen und Männer, die sich hier selbstsicher durch die Menge tanken.
Die Bar ist nicht der einzige Gastraum – Speisen lässt sich gut in einer der anderen Gaststuben, in denen es oft etwas ruhiger zugeht. Das Essen ist durchaus genießbar. Man muss nur eventuell den hungrigen Hai ignorieren, der über dem Kopf kreist.
Ein gutes Inn bietet Verpflegung, Unterhaltung und nicht zuletzt einen Ort, an dem der Reisende sein Haupt zur Ruhe betten kann. Freilich gibt es das auch hier. Sowohl im Haupthaus, als auch im großen Nebengebäude „Drover’s Lodge“ auf der anderen Seite der Straße. Die Zimmer im Haupthaus sind sicher uriger, doch wer wirklich gut schlafen möchte, findet drüben mehr Ruhe als über der Gaststube.
Im Gegensatz zum 300 Jahre alten Haupthaus treibt im Nebengebäude auch kein Gespenst sein Unwesen. Denn freilich sind einige der Reisenden im oder um das Drovers Inn verstorben und ihre Seelen haben den Ort nie verlassen. So wurde der junge Treiber Angus hier erst seiner Herde beraubt, dann hinter dem Haus aufgehängt. Sein Geist soll des öfteren zu sehen sein.
Eine zweite Geschichte dreht sich um eine Familie, die zum Drovers Inn wollte, sich aber verirrte und erfror. Sie soll heute noch in der Umgebung auftauchen auf der Suche nach ihrem Ziel.
Auf einer extra Webseite beschreibt das Drovers Inn diese und andere Geschichten genauer.
Das Drovers Inn ist sicherlich eines der berühmtsten und auch faszinierendsten Inns in Schottland. Sein Alter und sein besonders Flair machen es zu einem sehenswerten Ziel, egal ob der Besucher nur auf ein Bier vorbei kommt oder die ganze Nacht hier verbringt.
Wissen: Drovers Inn – was der Name bedeutet
Die Highlands von Schottland waren keine gute Gegend für Landwirtschaft, der Boden war sauer und unfruchtbar. Darum war es für viele Bewohner wichtig, sich Vieh zu halten, das in den Highlands grasen konnte. Heute sind es vornehmlich Schafe, doch bis ins 18. Jahrhundert waren es hauptsächlich Rinder. Noch nicht die rot-braunen Tiere, die wir heute aus den Highlands kennen, sondern deren schwarze Vorfahren.
Im Frühjahr begannen die Drover, die Viehtreiber, überschüssige Rinder einzukaufen und daraus Herden zu bilden, die sie zu den Viehmärkten in den Süden treiben konnten. Gegen Sommer machten sich die Treiber auf den Weg aus den Highlands hinaus. Dazu mussten sie die Routen genau kennen, denn richtige Straßen gab es damals nicht. Diese Routen heißen dennoch Drover’s Roads und manche sind heute noch in Ortsnamen verewigt. Der Bealach na Bà bei Applecross heißt beispielsweise auf Deutsch „Rinderpass“.
Irgendwo mussten die Treiber ihre Nacht verbringen und so entstanden an bestimmten Knotenpunkten Drovers Inns. Die boten Essen und Trinken an und eventuell auch ein Dach über dem Kopf.
Dass der Treiber einen mitnimmt, war übrigens eine echte Drohung für Kinder. Darum verspricht die Mutter im Volkslied „Cadal Ciarach Mo Luran“ auch:
Bidh mi fhìn agad tuilleadh
Chan fhaigh dròbhair a chruidh thu
Ich werde immer bei Dir sein,
der Viehtreiber bekommt Dich nicht
Treiber wurden das erste Mal 1359 schriftlich erwähnt. Das Ende der Treiber kam mit dem Aufkommen von Dampfschiffen und später der Eisenbahn, die die Rinder leichter und schneller transportieren konnten. Der letzte Treiber starb mit 91 Jahren im Jahr 1957.
Die Inns wandelten sich über die Jahrhunderte in Stationen für Kutschen und Unterkünfte für Reisende aller Art. Das Drovers Inn nahe dem Loch Lomond ist eines der wenigen, die die Zeit in dieser Form überdauert haben.
Persönliche Anmerkungen: Ein interessanter Aufenthalt
An einem Samstag im November haben wir hier die letzte Nacht unserer Reise verbracht. Samstags bedeutet: Die Bar ist voll, die Zimmer auch. Und so erhielten wir schon während der Fahrt zum Inn durch das Glen Coe mehrere Anrufe der Betreiber, die fragten, ob wir auch wirklich kämen. Es gab wohl viele Anfragen anderer. Und das in der Nebensaison.
Das Drovers Inn ist also beliebt und vermutlich ist es eine gute Idee vorher zu reservieren, wenn man dort schlafen möchte. Obwohl ich immer recht früh buche (meist ein halbes Jahr im Voraus), bekamen wir schon nichts mehr im Haupthaus.
Die Betten und Zimmer im Nebengebäude sind funktional aber sauber. Und so verbrachten wir nach einem guten Essen auch eine geruhsame Nacht hier. Die Bar allerdings war so voll, dass wir es nicht schafften, dort ein Bier zu trinken.
Die Atmosphäre ist jedenfalls einzigartig, die Sammlung an ausgestopften Tieren und anderen Zeitzeugen vergangener Epochen spannend. Ob einem das dann auch gefällt, ist eine andere Frage. Auf jeden Fall war es für uns ein spannender Aufenthalt.
Anfahrt:
Mit Navigationsgerät: „G83 7DX“ bringt einen ans Ziel.
Ohne Navi: Das Drovers Inn liegt an der A82, die von Glasgow nach Norden bis durchs Glen Coe und nach Ft William führt. Insofern braucht man diese Straße nur entlangfahren, ehe man auf Höhe des Loch Lomond zwangsläufig auf das Inn trifft.