Die einstige Pracht lässt sich noch gut erahnen: Der Earl’s Palace in Kirkwall auf Orkney ist Schönheit und gleichzeitig ein Lehrstück über Machtmissbrauch, Dekadenz und Verfall. Denn die Geschichte hinter der jetzigen Ruine ist verknüpft mit Patrick Stewart, einem gierigen und grausamen Herrscher der Insel, der in diesem Prachtbau leben wollte.
Direkt gegenüber der Kathedrale in Kirkwall ragen die fensterlosen Wände des alten Palasts in die Höhe. Das mehrgeschossige Gebäude wurde in L-Form angelegt, sein Herz war die 16 Meter lange Halle mit zwei großen Kaminen. Der Earl’s Palace gilt dabei bis heute als eines der schönsten Renaissance-Gebäude Schottlands. Doch so wunderbar das Gebäude für damalige und heutige Verhältnisse sein mochte, hatte es doch den Makel, dass es durch Frondienst und Unterdrückung errichtet worden war.
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Der ungeliebte Bauherr des Palasts war Earl Patrick Stewart, ein gieriger und gewalttätiger Herrscher der Orkney- und Shetland-Inseln, der ab 1592 regierte. „Black Patie“ wurde er wegen seiner Grausamkeit von der Bevölkerung genannt.
Patrick Stewart hätte auch einfach den nahen Bishop’s Palace beziehen können, doch dieser war ihm zu unmodern und zu klein, Der ebenfalls noch recht neue Palast seines Vaters bei Birsay lag dem jungen Herrscher wohl zu weit von Kirkwall entfernt. Deshalb begann Patrick ab etwa 1600 nach Christus seinen eigenen Prunkbau zu errichten. Damit das gelingen würde, presste der Stewart-Earl jeden Pfennig aus seinen Untertanen und ließ die Bewohner Orkneys zu Frondiensten auf seiner Baustelle antreten.
Wissen: Das Ende von Black Patie
1607 war der Palast dann fast fertig, doch Patrick Stewart hatte nicht mehr viel davon, denn er hatte sich finanziell überschätzt. Aufgrund von Schulden und auch wegen seiner grausamen Art wurde er ins Gefängnis in Edinburgh geworfen.
Patrick stachelte von dort seinen unehelichen Sohn Robert dazu auf, die Stewart-Besitztümer auf Orkney wieder von der Krone zurückzuholen. Der heuerte prompt einige Männer an und besetzte Kirkwalls Innenstadt. So wurde der Palast am Ende auch Schauplatz einer Belagerung, bei dem sogar mit Kanonen auf die Gemäuer geschossen wurde – angeblich seien die meisten Kugeln an den Wänden des Palasts zerbrochen, statt ihnen zu schaden. Dennoch gelang es den Aufrührer Robert schließlich festzunehmen. Er wurde ebenfalls nach Edinburgh gebracht und dort, wie auch Patrick Stewart, schließlich im Jahre 1615 hingerichtet.
Der Palast ging anschließend in den Besitz der Bischöfe über und wurde von ihnen zeitweise bewohnt. Im 18. Jahrhundert gehörte er der schottischen Krone, konnte aber nicht mehr instand gehalten werden, 1745 wurden sogar das Dach und andere Teile verkauft. So verfiel der Earl’s Place in Kirkwall schließlich und wurde zu der Ruine, die wir heute sehen.
Tipps: Alles auf einem Blick in Kirkwalls Mitte
In Kirkwall gleich noch den Bishop’s Palace (nebenan) und die St. Magnus Cathedral besuchen.
Anfahrt:
Mit Navigationsgerät: „KW15 1PD“ würde einen direkt ins Zentrum von Kirkwall bringen.
Ohne Navi: Von Stromness (Fähre) kommend folgt man mit dem Auto immer den Hinweisschildern nach Kirkwall – stets auf der A965 bleiben.
Mein Tipp: Im Hafen von Kirkwall am Anfang der Albert Street parken und diese entlang laufen (Spaziergang an Geschäften vorbei von einigen Minuten). An der St. Magnus Cathedral vorbei und dahinter links in die Palace Road, danach in die nächste kleine Straße rechts. Dort kommt der Eingang zum Palast auf der linken Seite.