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Forth Bridge und die Kunst glühende Nieten zu werfen

Als rotes Wahrzeichen spannt sich die Forth Bridge über den Firth of Forth. Ihre Geschichte und von wo aus man sie am besten sehen kann, steht hier.

Forth Bridge mit Zug
Forth Bridge mit Zug

An ein Wunder grenzt es ja schon, dass die Schotten Eisenbahnbrücken überhaupt noch trauen. Denn im Gegensatz zu heute war es im 19. Jahrhundert in Großbritannien keineswegs so, dass Passagiere immer heil am anderen Ende einer Eisenbahnbrücke ankamen. Erst 1879 – kurz vor Baubeginn der Forth Rail Bridge – hatte kaum 50 Kilometer weiter nördlich die Tay Bridge unter einem Zug nachgegeben. 75 Menschen verloren dabei ihr Leben. Es war der zweite Unfall innerhalb der letzten 50 Jahre.

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Und nun sollte also eine noch größere und noch längere Brücke über den Firth of Forth führen? Entworfen von Thomas Bouch, demselben Konstrukteur der Unfallbrücke?

Tatsächlich hatte der unglückliche Architekt Bouch eine Verbindung zwischen Queensferry North und South geplant, und zwar mit einer Hängebrücke. Doch nach dem Unfall hatte man das Vertrauen in seine Ideen verloren und neue Konstrukteure berufen – und die sollten tatsächlich Großes vollbringen. Benjamin Baker und John Fowler bekamen den Zuschlag für eine neue Idee: Eine Brücke aus Stahl, die in Auslegerbauweise entstehen sollte.

So kam es dann auch: Drei Fundamente wurden in den Firth of Forth getrieben. Jeweils am flachen Rand und in der Mitte an der Insel Inchgarvie. Gebaut wurde nicht wie bei der Tay Bridge mit Gußeisen. Man hatte gelernt, dass Eisen bei intensiver Nutzung brüchig wurde. Stattdessen – und das war revolutionär – kam ein besonderer gewalzter Stahl zum Einsatz, der zu Rohren mit bis zu vier Metern Durchmesser gebogen und vernietet wurde.

Die Konstruktion der Forth Bridge als Zeichnung; Quelle: „Forth Bridge (1890) Fig. 5, Page 5“ von Wilhelm Westhofen – gemeinfrei

Dass die Brücke nach den schlechten Erfahrungen überhaupt gebaut wurde, war schlicht eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Die sich ausbreitende Eisenbahn wollte nördliche Städte wie Dundee oder Aberdeen von Edinburgh möglichst schnell erreichen. Der Firth of Forth erstreckt sich hier aber 70 Kilometer landeinwärts. Ein Umweg für die Eisenbahn wäre wirtschaftlich kaum zu ertragen.

Bisher hatte man bei Queensferry Crossing mit Fähren übergesetzt. Doch das konnte dem Strom der Reisenden bald nicht mehr gerecht werden.

Nachts ist die Forth Rail Bridge schön erleuchtet

Also machten sich bis zu 4.500 Menschen daran, die Brücke nach den Plänen aufzubauen. Die Fundamente zu versenken war schon anstrengend. Dabei wurden sogenannte Caissons oder Senkkästen eingesetzt, die auf den Meeresgrund herabgelassen und durch Druckluft dauerhaft geleert blieben. Darin konnten die Arbeiter dann Geröll wegschaffen und das Fundament legen. Es waren quasi Taucherglocken.

Erst danach wurden die Stahlteile herangeschafft und verbunden. Die dazu notwendigen Nieten wurden bis zur Weißglut in einem Ofen erhitzt. Doch wie kamen sie dann heiß zum Arbeiter, der den Niet einschlagen sollte? Ganz einfach: Sie wurden geworfen! Mit einer langen Zange schleuderte ein Arbeiter jedes Metallstück zu einem Fänger, der eine Art Eimer aus Leder hatte. Arbeitsschutz gab es damals noch nicht. Kein Wunder, dass 63 Arbeiter ihr Leben verloren, 13 davon waren noch minderjährig.

Der Bau dauerte acht Jahre, ehe die Forth Bridge 1890 eingeweiht wurde – per goldenem Nietenschlag durch den britischen Thronfolger Edward. Die Anstrengung hat sich gelohnt. Seit über hundert Jahren verrichtet die Brücke zuverlässig ihren Dienst – rund zweihundert Züge überqueren sie pro Tag. Diese Meisterleistung wird nun weltweit gewürdigt. Seit Juli 2015 darf sich die Forth Rail Bridge zum Welterbe der Unesco zählen.

Und längst ist sie nicht mehr alleine. Die Forth Road Bridge steht seit 1964 etwas westlicher und eine dritte Brücke ist gerade im Bau (Stand 2016).

Zwei Forth Bridges

Wissen: Die Forth Bridge in Zahlen

Von den Fundamenten aus erheben sich drei mal vier Pfeiler in eine Höhe von 110 Metern. Von denen wiederum spannen sich wie Flügel die Ausleger (Cantilever) in beide Richtungen jeweils 207 Meter weit. Dazwischen hängen zwei identische Teilstücke von jeweils 107 Meter Länge (die sogenannten Gerbeträger).

Gerbeträger Forth Bridge, Hintergrund: Inchgarvie

Den restlichen Weg zwischen Brücke und dem erhöhten Land legen jeweils Viadukte auf Pfeilern zurück.

Forth Bridge Viadukt

Insgesamt überspannt die Brücke fast zweineinhalb Kilometer, sie wiegt 53.000 Tonnen. 28 Jahre lang galt die Forth Rail Bridge als größte Auslegerbrücke der Welt, ehe sie 1918 von der Pont de Québec in Kanada auf Platz zwei verwiesen wurde.

Ab 2002 wurde die Brücke zehn Jahre lang saniert. Etwa 240.000 Liter Farbe gaben der Forth Bridge wieder ihr leuchtendes Rot.

Tipp: Forth Bridge Aussichtspunkte

Wie kann man die wunderbare Brücke nun am besten bestaunen? Da gibt es zum einen South Queensferry, von dem aus die meisten Bilder in diesem Artikel aufgenommen wurden. Das kleine Örtchen ist an sich schon eine Sehenswürdigkeit, es gibt hier eine Ladenzeile mit einem Krims-Krams-Antiquitätenhändler und mehr.

South Queensferry Ladenzeile

Einen guten Blick hat man vom Parkplatz vor der kleinen Einkaufzeile. (Mapcode 20.VRB4, Koordinaten 55.9898288,-3.3945662). Von hier kann man auch am Pier weiterlaufen, unter der Brücke hindurch und wenn man der Straße weiterfolgt, hat man einen Blick auf alle drei Forth Bridges.

Forth-Bridge-Panorama von Osten

Auf der Nordseite gibt es einen View Point mit einer Infotafel, einem Leuchtturm und einem Anker – der sich bei Fotos prima als Vordergrund macht. Er liegt in North Queensferry bei Mapcode  20.TK84 oder den Koordinaten 56.008219,-3.394947. Besonders empfehlenswert in Dunkelheit, wenn die Lichter an sind.

Blick auf die Forth Rail Bridge von North Queensferry bei Nacht

Wer etwas mehr Zeit und Geld mitbringt, der kann von South Queensferry eine Bootstour unternehmen, die ihn nicht nur zur Brücke bringt, sondern auch noch auf die Insel Inchholm mit ihrem Kloster. Anbieter sind zum Beispiel Fourth Tours oder Maid of Forth.

Persönliche Anmerkung: Muscheln und ein Foto

In South Queensferry haben wir – neben einer ausgiebigen Einkaufstour einen Spaziergang entlang der Straße unternommen. Dabei kommt bei Ebbe sogar ein kleiner Sandstrand zum Vorschein. An dem Strand: unzählige Muscheln.

Allerdings trauen wir der Wasserqualität des Firth of Forth nicht wirklich, darum haben wir sie nicht lange angefasst oder gar mitgenommen.

Forth-Bridge Muscheln

An selber Stelle sind einige Felsen, auf denen man ganz gut vor der Brücke posieren kann:

Ich vor der Forth Bridge

Anfahrt (South Queensferry):

Von Edinburgh aus Richtung Dundee und Perth auf die M8 dann auf die M9, die M90 und die A90. Je nachdem von wo her man kommt … auf der A90 auf das Schild „Historic Town“ achten. Dort abfahren und im Kreisverkehr der Richtung „Queensferry (B 907)“ folgen, ebenso im nächsten. Die Straße geht dann nach einer Weile einen Berg hinauf und man sieht schon in der Ferne die Forth Railroad Bridge. Achtung: Am Ende der kleinen Abfahrt rechts abbiegen, nicht der Straße nach links folgen. Durch die schmalen gassen bis zu den Parkplätzen. Ist an der Ladenzeiel nichts frei, weiterfahren und auf dem großen Parkplatz vor der Brücke parken.

Von Glasgow aus auf die M8 nach Edinburgh, dann aber auf die M80 nach Sterling wechseln. Später nach „Kincardine Bridge“ auf die M876 und anschließend auf die M9 nach Edinburgh wechseln. Hier Ausfahrt „Kincardine Br Uphall“ nehmen, unten links nach „Forth Road Bridge“ und wieder rechts nach „S. Queensferry“. Der Straße folgen, bis man auf die oben genannten Kreisverkehre trifft.

Von Norden aus Richtung Edinburg auf der M90 und A90 fahren und nach der Road Bridge nach „Queensferry (B 907)“ ausfahren. Dann in den Kreisverkehren wie oben.

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