Über Kuppen, vorbei an Lochs und zwischen Felsen verläuft die Golden Road auf der Isle of Harris. Für die Fahrt durch die Landschaft braucht es aber Nerven.
Eine Spur. Links das Meer, rechts ein See, vor uns Stein. In der Ferne windet sich die Asphaltspur in den Horizont, ehe sie hinter einem der unzähligen Auf und Abs verschwindet. Wir befinden uns an der Ostküste der Insel Harris. Wir befinden uns auf einer der schwierigsten Straßen der Äußeren Hebriden. Wir befinden uns auf der Golden Road.
Mein Reiseführer Äußere Hebriden
Auf 304 Seiten beschreibe ich die Inseln Lewis, Harris, North und South Uist, Benbecula, Barra und Vatersay. Außerdem 7 Touren und 232 Fotos.
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Und Katrin tritt aufs Gas.
Wie auf der ganzen Inselkette der Äußeren Hebriden unterscheidet sich auch auf Harris die Ostküste stark von der Westküste. Während im Westen wunderbare Sandstrände dominieren, an denen der azurblaue Atlantik einrollt, zeigt der Osten ein düsteres Gesicht: dunkle Lochs, ebenso dunkle Meeresbuchten und dazwischen viele kalte Felsen, die dem spärlichen Grün kaum noch Platz lassen.
Mitten durch diese raue Landschaft windet sich die Golden Road, die heute hauptsächlich als Panorama-Straße für Touristen genutzt wird. Dank ihr kann man sogar eine Rundfahrt über Harris machen: Den Osten hinab, den Westen hinauf – oder anders herum.
Kurz unterhalb der Inselhauptstadt Tarbert nehmen wir den Abzweig auf die Golden Road, weg von der breiten und bequemen Hauptstraße. Wir passieren die Örtchen Miabhaig und Drinisiadar. Erst dann wird der Blick auf das Meer zur Rechten länger frei. Die Orte bestehen dabei oft nur aus ein oder zwei Häusern, die sich schutzsuchend in Hügel ducken. Wir hegen eine gewisse Bewunderung für diejenigen, die hier wohnen.
Eine erste Rast gönnen wir uns im Ort Greosabhagh (Englisch: Grosebay). Dort betreten wir die Verkaufsräume der Harris Tweed Company, die hier Mäntel, Jacken und Pullover verkauft. Ich verliebe mich spontan in einen Mantel. Leider liegt dessen Preis bei umgerechnet deutlich über 400 Euro.
Wer die Straße nervlich nicht verträgt, hat außerdem hier die Möglichkeit wieder zurück zur Hauptstraße A859 zu fahren. Wir aber bleiben auf der Golden Road – der größte Teil liegt ja noch vor uns und meine Fahrerin kommt mit den Kurven, Passingplaces und Kuppen bestens zurecht.
Während Katrin also am Steuer ihre Fahrkünste ausspielt, kann ich die Landschaft genießen … und entdecke zwischen den kalten Felsen zarte Poesie: Die Lochs sind gesprenkelt mit weißen Seerosenblüten. Einige schon geöffnet, andere noch als Knospen, schwimmen sie auf den eisigen und dunklen Wassern.
Wir passieren Geocrab, Fleoideabhagh und Fionnsabhagh – danach sind wir alleine mit der Straße. Nach über einer Stunde Fahrzeit sehen wir schließlich das Ende der Golden Road, die Kirche von Rodel. Ab hier geht es wieder auf leichter befahrbaren Straßen.
Zurück bleiben die Eindrücke einer kargen aber faszinierenden Landschaft an der Ostküste der Isle of Harris. Und die Erkenntnis, dass die Golden Road nichts für Angsthasen ist.
Wissen: Golden Road – warum der Name?
Ganz einig sind sich die Quellen da nicht. Denn einerseits führt man „Golden Road“ darauf zurück, dass die Straße ein Vermögen gekostet hat – kein Wunder, bei der unwegbaren Landschaft. Die Einwohner hätten demnach einen gewissen Zynismus an den Tag gelegt. Doch die Bewohner der Orte der Ostküste werden für diesen Zynismus nur begrenzt Verständnis haben. Für sie war die Straße eine derartige Erleichterung und Verbesserung, dass sie sie als golden betrachteten.
Fertig gestellt wurde die Golden Road im Jahr 1897. Heute ist die Golden Road mit der Nummer C79 auf Karten zu finden.
Tipp: Von Nord nach Süd oder anders herum?
Wir sind die Straße insgesamt zweimal gefahren, jeweils in der anderen Richtung. Persönlich würde ich bei einer Inselrundfahrt empfehlen, die Ostküstenroute von Tarbert nach Rodel zu fahren. Denn dann ist der anstrengende Teil am Anfang und man hat genug Zeit sich an den Stränden der Westküste zu erholen. Andere weisen jedoch darauf hin, dass man tagsüber die Sonne im Rücken hat, wenn man von Süden nach Norden fährt. Das hat auch etwas für sich – bei uns war es eben nicht besonders sonnig.
Persönliche Anmerkung: Auf dem Weg zur Fähre
Ich habe nicht vor vielem Angst, aber meine Nervosität vor einer Fährfahrt ist unter Mitreisenden bereits berüchtigt. Nicht dass ich Angst vor der Überfahrt habe – da bin ich ganz entspannt. Nein, ich habe Angst zu spät zur Abfahrt zu kommen.
Diese Angst gepaart mit Golden Road ist eine heikle Mischung. Denn auf ihr kommt man eben langsamer voran als man durch die reine Entfernung vermuten würde – eben weil sie sich so windet. Die Fahrt zur Fähre in Leverburgh über die Golden Road war für mich also keine sehr angenehme Sache.
Anfahrt:
Kommend von Tarbert biegt die Straße C79 von der Hauptstraße A859 links nach Miabhagh. Sie ist außerdem auch mit dem Hinweis „Golden Road“ beschildert. Danach der Straße nach Stocinis folgen und später nach Roghadal, also Rodel.
Kommend von der Fähre in Leverburgh oder von der Weststraße folgt man der Beschilderung nach Roghadal, passiert die Kirche und folgt der Beschilderung nach Fionnsbagh. Dann Stocinis und Miabhagh.