Schottlands Nordwesten kennt eine Art Wiese, die es sonst nirgendwo mehr auf der Welt gibt: den Machair. Jeden Sommer erfreut er mit einzigartiger Schönheit – doch der Machair ist empfindlich und darum in seiner Existenz bedroht.
Direkt hinter dem Meer beginnt die Wiese. Was für einen Anblick sie bietet! Es blühen Wildblumen – seltene Orchideen, Nelken, Gänseblümchen und viel Klee. Zwischen den Blumen und Gräsern verstecken sich seltene Vogelarten wie der Wachtelkönig oder die Kornweihe und über all dem schweben die in Schottland seltenen Hummeln.
Diese wunderschönen Wiesen am Meer haben einen eigenen Namen: Machair. Der ist einzigartig für den Nordwesten Schottlands (teilweise findet man ihn noch im Nordwesten Irlands). Was aber macht ihn so besonders? Blumenwiesen gibt es in Deutschland schließlich zuhauf.
Genau das ist ein Punkt: In den Highlands sind solche Wiesen selten, da sich hier fast durchweg ein saurer Torfboden breit gemacht hat. Darum sieht man im Westen auch nur wenige Gebiete, auf denen zum Beispiel Getreide angebaut wird. Es fehlt einfach der geeignete Boden.
Doch der Machair ist so ein Boden, auf dem man auch im Westen Schottlands zumindest einige genügsame Getreidearten pflanzen kann und auf dem eben auch Blumen gedeihen, die man sonst in den Highlands nicht findet. Da er im Prinzip jedoch nur aus einer dünnen Schicht an Land geblasenen Sands besteht, ist er empfindlich und darum heute bedroht.
Kernland des Machair: Die Äußeren Hebriden
Der wohl feinste und weitläufigste Machair findet sich auf South-Uist. Er findet entlang des ebenso ausgedehnten Sandstrands der Insel, der sich fast deren gesamte Westküste hochzieht.
Doch auch auf Barra, North Uist, Berneray, Harris und Lewis kommt dieser besondere Boden vor, ebenso auf Tiree, Islay, Teilen der Isle of Skye und Mull und an einigen Landstrichen der schottischen West- und Nordküste, ja sogar auf den Orkneys und Shetlands gibt es Machair (Verteilungskarte in diesem Bericht der EU).
Der Machair hängt so stark mit den Äußeren Hebriden zusammen, dass er sogar als Namensgeber für eine Soap Opera in schottisch-gälischer Sprache diente. Von 1993 bis 1999 flimmerten 151 Folgen von „Machair“ aufgeteilt in zwölf Staffeln über die Bildschirme der TV-Geräte. Gedreht wurde jeweils auf der Isle of Lewis.
Machair erleben: Flora und Fauna
Der Machair ist ein Paradies für Pflanzenfreunde. Besonderes Highlight: Die Orchideen. Knabenkraut zum Beispiel wächst hier, doch auch andere Arten kann man finden. Die Dactylorhiza majalis scotica kommt sogar nur hier vor. Oft zu sehen ist das Wollgras, natürlich sehr viel Klee und viele andere Wiesenblumen.
Damit sich Blumen vermehren können, benötigt es Insekten. Die berüchtigte Highland-Midge ist zum Bestäuben von Pflanzen kaum geeignet. Doch hier im Machair trifft man die in Schottland seltene Hummel an. Sogar einige Falter finden sich hier.
Das Machair bietet außerdem allerlei seltenen Vögel Schutz und passenden Lebensraum. Allen voran sicher die Corncrake (Crex Crex), zu deutsch der Wachtelkönig. Seine Rufe sind häufig zu hören, auch wenn sich das Tier selbst nicht blicken lässt – es sei denn, man hat viel Glück. Am häufigsten aber sind Watvögel vertreten, wie Kiebitze und Steinwälze. Ein fantastischer Platz, um diese Vögel im, um und über dem Machair zu sehen, ist das Balranald Reservat auf North Uist.
Auf South Uist führt entlang des gesamten Strandes der Machair Way, den Touristen abwandern können.
Definition: Was genau ist nun Machair?
Achtung, hier wird es nun etwas wissenschaftlicher, also auch etwas trockener. Die Akademiker möchten gerne klare Kriterien für den Machair festlegen, um so die wichtigen Gebiete zu identifizieren und möglicherweise schützen zu können. Und dabei tun sie sich schwer.
1976 stellte William Ritchie einige Kriterien auf: Machair sei ein dünner und kalkreicher Boden auf sanft welligem Terrain an einem Ozean mit entsprechenden feuchten und kühlen Bedingungen. Außerdem muss Nutzvieh dort gelegentlich weiden und es sollte im Winter überschwemmt sein. Dazu gab er noch einen Katalog an Pflanzen mit, die dort zu finden sein sollten: Weiß-Klee, Hornklee, Rotschwingel, Schafgarbe, Labkraut, Spitzwegerich, Gemeiner Augentrost und ein bestimmtes Moos. Hohes Dünengras hingegen käme dort nicht vor.
Das Problem an Ritchies Kriterien: Sie sind zu eng gefasst. Und so schlug ein weiterer Wissenschaftler namens Stewart Angus vor (siehe hier), das Umfeld des Machairs wesentlich mit in die Betrachtung einzubeziehen. Meer, Düne, Grasland, Süßwasserlochs bis dorthin, wo der Sand sich noch auf das Torf legt (Blacklands) sei eine typische Umgebung des Machair. Er begann somit eine Art Machair-System zu beschreiben, um darin dann das Machair-Grasland zu bestimmen, oder in seinen Worten:
„By identifying machair systems, it should then be possible to identify the machair grasslands within these.“
Stewart Angus, De tha machair? Towards a machair definition
Ein wesentlicher Bestandteil beim Machair ist die Einmischung des Menschen in seine Entwicklung. Konkret bedeutet das: Die Beweidung durch Nutzvieh und die Pflege durch Ackerbau.
Diese Beziehung zwischen Machair und Mensch scheint schon aus der Mittelsteinzeit um das Jahr 5000 vor Christus herum herzurühren, wie eine Arbeit von 2004 vermuten lässt. Auch Funde alter Siedlungen im Umfeld von Machair, wie die von Cladh Hallan auf South Uist aus der Bronzezeit oder wie die von Bostadh auf Great Bernera aus der Eisenzeit, lassen auf eine frühe Beziehung zwischen Mensch und Machair schließen.
Crofter bauen auch heute dort noch genügsame Getreidesorten an, meist Hafer und Roggen. Dabei wird das Feld eine Saison bestellt und anschließend ein oder zwei Jahre ruhen gelassen. Gedüngt wird auch, meist mit Seegras, da sich die Kunstdünger zu schnell auswaschen im sandigen Boden.
Aussprache und Herkunft: Das Wort „Machair“
Das Wort „Machair“ kommt aus dem Gälischen, der alten Sprache des westlichen Highlands. Es wird in etwa „Machir“ ausgesprochen (genaue Aussprache zum anhören: hier). Ursprünglich beschrieb der Begriff einfach eine Ebene und fand so auch in einigen Ortsnamen Einzug, zum Beispiel Machrihanish an der Westküste der Halbinsel Kintyre oder Machir Bay auf Islay.
Doch heute hat sich das Wort Machair als Bezeichnung für den fruchtbaren Streifen an der Küste zwischen Meer und Moor durchgesetzt.
Der Fremde von barra von Fred Bodsworth lesen!