Keine andere Frau ist so verwoben mit der Geschichte der Highlands wie Flora MacDonald. Sie war Heldin, Gefangene, Auswanderin, Vorbild – und natürlich Fluchthelferin für Bonnie Prince Charlie. Über zwei Kontinente hinweg wird ihr Andenken heute noch in Ehren gehalten. Hier kommt ihre Geschichte.
Ganz am Rande Schottlands erblickte Flora das Licht der Welt – doch Floras genauer Geburtsort bleibt im Nebel der Zeit verborgen. Vermutlich war es auf der Äußere Hebriden-Insel Benbecula, ein Ort namens Balivanich, in dem ihre Familie wohnte. Viele andere Autoren behaupten hingegen es sei Milton auf South Uist gewesen, doch diese Aussage ist wissenschaftlich nicht fundiert (mehr darüber, warum Milton vermutlich nicht ihr Geburtsort war, steht im Interview mit Buchautor Angus MacMillan).
Zumindest das Datum scheint relativ klar: man schrieb etwa das Jahr 1722. Floras Mutter war die Tochter eines Pfarrers, ein schöne Frau, so sagt man noch heute. Ihr Vater hieß Ranald II of Balivanich und war zur Zeit ihrer Geburt bereits um die siebzig Jahre alt. Flora hatte zudem zwei Brüder: Der ältere kam bei einem Unfall mit einer Schusswaffe ums Leben, der (vermutlich!) jüngere beerbte später teilweise den Vater, der starb, als Flora gerade mal zwei Jahre alt war.
Ihre Mutter war jedoch mit etwa 30 Jahren noch jung und heiratete erneut im Jahr 1728. Als zweiten Ehemann hatte sie sich Hugh MacDonald auserkoren, dessen Wurzeln auf der der Isle of Skye lagen. Floras Stiefvater sollte bald noch eine entscheidende Rolle bei den späteren Abenteuern um die Flucht des Stuart-Prinzen spielen. Ihre Jugend verbrachte Flora auf Benbecula, dort erhielt sie vermutlich im nahen Nunton eine fundierte und gute Erziehung. Sie entwickelte sich zu einer angenehmen Lady, die als kultiviert galt; als beherrscht und stets guten Mutes. Flora war bekannt dafür, dass sie wunderschöne gälische Lieder zum Besten gab. Kurz: Sie war wohl eine echte Dame.
Im Gegensatz zu vielen kursierenden Geschichten hat Flora MacDonald jedoch nie eine Erziehung in Edinburgh oder auf der Isle of Skye erhalten. Auch das ist ein Missverständnis, das sich in die Geschichtserzählung fälschlich eingeschliffen hat. Zu Pfingsten 1746 übersiedelte die Familie nach Skye, nur ihr Bruder blieb zurück. Der Grund dafür war wenig erfreulich: Ihr Stiefvater hatte nämlich bei Balivanich eine verheiratete Frau geschwängert und wurde daher gezwungen das Heim in Balivanich hinter sich zu lassen.
Flora und der schöne Prinz
Der Jakobiten-Aufstand war 1746 bereits beendet und sein Anführer auf der Flucht. Zur gleichen Zeit besuchte Flora gerade ihre alte Heimat und ihre dortigen Verwandten. Als Bonnie Prince Charlie, der Anführer des Aufstand gegen die Krone schließlich bei seiner Irrfahrt auf den äußeren Hebriden ankam, verband sich Floras Schicksal mit dem seinen.
Zwar war sie selbst nicht an der Politik interessiert, doch sie fühlte sich dem Prinzen und seinem Haus verpflichtet – wie die meisten Highlander es taten. Selbst ihr Stiefvater Hugh, der Streitkräfte der Krone auf der Insel kommandierte, hatte wohl ein Faible für den Prinzen. Nur so ist seine spätere Mithilfe zu begreifen. Flora wurde Teil der Fluchthilfegruppe – ein wichtiger Teil! Denn Bonnie Prince Charlie wollte die äußeren Hebriden wieder verlassen und nach Skye übersetzen. Die Gefahr auf den äußeren Hebriden gefasst zu werden, war für ihn zu groß. Der Plan: Flora sollte Pässe besorgen für sich, einen Diener (O’Neil, ein Getreuer des Prinzen) und eine Zofe namens Betty Burke aus Irland – die in Wahrheit Prince Charles in Frauenkleidern sein sollte. Und so machte sie sich auf den Weg die Flucht zu organisieren, wurde aber noch am selben Abend von Milizen gefangen genommen.
Es war ihr Glück, dass der Kommandant der Truppe ihr Stiefvater war, der ihr sogleich die Pässe besorgte und sie gehen ließ. Schließlich organisierte sie ein Schiff für die Überfahrt. Erst als das alles getan war, durfte sie den Prinzen zum ersten Mal sehen. Das war Ende Juni 1746. Der Rest ist Legende der Highlands: Gemeinsam wagten die drei die Überfahrt und hatten noch einige Erlebnisse auf Skye, ehe sie sich in Portree am 30. Juni 1746 trennten – nur drei Tage nachdem sich der Prinz und Flora das erste Mal gesehen hatten. Mehr zu diesen Erlebnissen und der weiteren, aufsehen erregenden Flucht von Charles Edward Stuart steht hier. Eine echte Liebesbeziehung hatten die beiden übrigens nie, auch wenn es herrlich romantisch wäre.
Gefangene der Krone
Der schöne Charlie konnte sich dank seiner Flucht der Folgen von Culloden entziehen. Nicht aber Flora. Sie wurde zur Verantwortung gezogen und musste später miterleben, wie ihre Heimat den Folgen der Niederlage ausgesetzt war, sah wie ihre Mitmenschen unter Repressalien, Hunger und Vertreibung – den Clearances – litten. Während Bonnie Prince Charlie also nach Frankreich segelte, erkannte man Floras Teil der Verschwörung und nahm sie gefangen und deportierte sie in den Tower nach London. Sie stand offen zu ihren Taten und für viele Schotten galt sie damit als Heldin.
Flora MacDonald wusste zudem Männer mit ihrem charmanten Wesen zu vereinnahmen. So setzte sich der Kapitän des Schiffes, das sie nach London transportierte per Brief dafür ein, dass sie nicht lange im Gefängnis saß. Das Schreiben und ihre Popularität verfehlten nicht die Wirkung: Flora wurde bald in einen angenehmen Hausarrest überstellt. Es ging ihr also gut, während in vielen Landstrichen der Highlands übelst an der einfachen Bevölkerung Rache verübt wurde. Schon 1747 kam sie frei. Ihre Mitgefangenen vergaß sie dabei nicht: Sie setzte sich für erfolgreich für deren Entlassung ein. Dann zog es sie nach Skye zurück, wo sie am 6. November 1750 Alan MacDonald ehelichte. Mit ihm sollte sie ihre nächsten Abenteuer erleben. Doch einige Jahre blieb es ruhig um unsere Heldin der Highlands.
Eine Schottin in North Carolina
Es kam die Zeit der Clearances, die Zeit des Hungers, die Zeit des Auswanderung. Auch Floras Familie suchte – wie viele Schotten – das Glück in der neuen Welt. So ließen sich die MacDonalds im Jahre 1774 in North Carolina nieder. Tatsächlich kam die Familie (Flora hatte fünf Söhne und zwei Töchter, drei weitere Söhne waren bereits jung gestorben) hier zu einem halbwegs guten Leben. Bis 1775 der Unabhängigkeitskrieg ausbrach. Ironie des Schicksals: Hatte sie doch alles getan, um die Britische Krone zu betrügen, als sie Bonnie Prince Charlie half. Doch jetzt fühlte sie sich ganz denen verpflichtet, die sie damals bekämpfte – den Hannoveranern.
Ihr Mann, ihre Söhne und andere Highlander zogen aus, um sich den britischen Truppen anzuschließen. Und Flora feuerte sie in einer glühenden Rede auf Gälisch dazu an. Doch die Truppe Ihres Mannes geriet in einen Hinterhalt, er wurde gefangen genommen. Flora blieb noch bis 1779 in North Carolina, wurde dort aber ihres Lebens nicht mehr froh. Sie musste sich oft gegen Attacken verteidigen, und verlor einige ihrer jungen Kinder an Krankheiten.
Schließlich verließ sie die Vereinigten Staaten von Amerika mit ihrer jüngeren Tochter. Das Land hatte ihr nichts mehr zu bieten. Ihr Mann Alan blieb zurück im Gefängnis von Halifax. Auf der Überfahrt in die Heimat erlebte Flora ihr letztes Abenteuer: Das Schiff, auf dem sie nach Schottland übersetzte wurde von französischen Freibeutern angegriffen, und es heißt, sie selbst habe es mit verteidigt und sich dabei einen Arm gebrochen. Flora lebte fortan wieder auf Skye bei Monkstat. 1783 kam auch ihr Mann wieder frei und kehrte zurück zu seiner Familie. Sie hatten tatsächlich noch ein schönes gemeinsames Leben.
Floras Tod und Samuel Johnsons Worte
Am 5. März 1790 starb die große Heldin Flora MacDonald auf der Insel Skye im Alter von 67 Jahren nach kurzer Krankheit. Sie wurde bei Kilmuir begraben, einem Ort an der Nord-Ostküste der Insel. Ihr Mann folgte ihr zwei Jahre später ins Grab. Floras Leiche wurde in ein Bettlaken gehüllt, in dem Bonnie Prince Charlie einst auf Skye übernachtete. Der Prinz war zwei Jahre zuvor bereits in Rom verstorben. Beide hatten sich nie wieder gesehen und nie wieder miteinander kommuniziert. Doch weiß man, dass Prince Charles Floras Namen stets mit höchstem Respekt erwähnte.
Bei der Beerdigung auf Skye gab es einen Trauerzug mit 3.000 Menschen – und es wird gesagt, es wären dabei auch 300 Liter Whisky geflossen. Jahre später wurde auf ihrem Grab ein großes Keltenkreuz als Gedenken an sie errichtet. Darauf stehen die berühmten Worte von Samuel Johnson, einem Schriftsteller und Gelehrten, der Flora 1773 besucht. Er sagte damals über sie:
„Ihr Name wird in die Geschichte eingehen, und wenn Mut und Treue Tugenden sind, dann wird er mit Hochachtung genannt.“
(Im Original: „Her name will be mentioned in history and if courage and fidelity be virtues mentioned with honour“)