Der Herstellungs-Prozess ist bei allen Brennereien gleich, und doch schmecken die Sorten unterschiedlich. Wann und wie kommt der Geschmack in den Whisky?
Destillierter Alkohol auf Basis von Getreide heißt bei uns Schnaps und bei den Russen Wodka – ein neutraler Alkohol, der geschmacklich rein gar nichts mit dem schottischen Whisky zu tun hat.
Denn wenn sich Whisky-Kenner über Geschmack unterhalten, reden sie über Torf, Rauch, Honig, Vanille, Schokolade und viele andere Aromen, die sie darin zu erkennen meinen.
Wo und wann im Herstellungsprozess kommen diese Aromen nun in den Whisky? Begeben wir uns auf eine Spurensuche …
Rohstoffe: Was die Whisky-Destillerien zur Herstellung brauchen
Gerste ist das Ausgangsprodukt für Single-Malt-Whisky. Sie ist die Grundlage für das Gemisch, das später zum ersten Alkohol vergoren wird. Doch zunächst müssen die Destillerien an die Gerste kommen.
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Auf Islay befinden sich zirka zehn Brennereien (je nachdem, wie man zählt), fast alle gehören zur Weltspitze des Singlemalts. Die Menge an Gerste, die sie zum Produzieren benötigen, kann Islay gar nicht selbst hervorbringen. Und sieht man sich gar Talisker auf der Isle of Skye an, wird klar: die Gerste kommt meist nicht von den Orten, an denen die Destillerien stehen. Sie wird oft per Schiff geliefert – auf Islay gibt es dazu ein zentrales Lager in Port Ellen.
Gerade auf Islay gibt es aber auch zwei Brennereien, die tatsächlich stolz darauf sind, dass sie mit hiesiger Gerste brennen: Kilchoman und Bruichladdich.
Bringt die Gerste schon Geschmack mit? Nein – denn die wird tatsächlich aus allen möglichen Ecken Großbritanniens eingekauft.
Wasser – das werden wir gleich noch sehen – wird eigentlich die ganze Zeit für die Whisky-Herstellung gebraucht, und zwar in Massen.
Bringt Wasser schon Geschmack mit? Auch das Wasser hat wenig mit dem Geschmack des Whiskys zu tun.
Der Torf schließlich wird als Brennstoff eingesetzt.
Bringt der Torf schon Geschmack mit? Ja! Wie genau, werden wir bald erfahren.
Die drei Ausgangsprodukte Gerste, Wasser und Torf sowie der fertige Whisky bestimmten früher die Lage vieler Destillerien. Auf Islay etwa findet man sie meist an einer geschützten Meeresbucht, nahe einem Bach- oder Flusslauf. Grund: Die Gerste kam oft per Boot und ebenso wurden die Flaschen oder Fässer wieder per Boot abtransportiert. Gleichzeitig holte man sich Süßwasser aus dem nahen Bach.
Mälzen der Gerste: Stärke in Zucker verwandeln
Die Gerste enthält viel Stärke. Damit wird die Hefe, die später die Gärung vollziehen soll, jedoch nichts anfangen können. Sie braucht Zucker, wie zum Beispiel Malz. Darum wird die Gerste zunächst gemälzt.
Die unzähligen Körner werden dabei gewässert und auf einem Boden ausgelegt. Oder wie es Andrew Jefford in seinem Buch „Peat, Smoke and Spirit“ beschreibt, sie werden getäuscht: Ihnen wird der Frühling vorgegaukelt. Hoffnungsvoll beginnen sie zu keimen und bilden einen ersten kleinen Sproß aus.
Nebenbei wird die im Korn enthaltene Stärke durch Enzyme in Malz umgewandelt. Genau darauf sind die Destiller aus. Denn statt dass der Spross den Zucker als Nahrung erhält, wird ihn bald die Brauhefe konsumieren.
Darum stoppen die Destiller den Wachstums-Prozess jetzt brutal: Sie trocknen das Korn über Feuer im sogenannten Darrboden oder auf Englisch „mesh floor“.
Der Rauch entweicht übrigens über die mittlerweile so typisch gewordenen Pagoden-Schornsteine, die fast jede Destillerie hat.
Kommt beim Mälzen Geschmack in den Whisky? Ja! Hier kommt der Torf-Geschmack in den Whisky. Denn wenn dem Feuer Torf als Brennstoff beigemischt wird, entwickelt sich starker Rauch, der das gemälzte Korn mit Phenol anreichert. Dieses Phenol wird in Millionenstel angegeben. In der Beschreibung eines Whiskys heißt das auf Englisch „Parts per Million“ und wird als ppm abgekürzt.
Spitzenreiter ist hier der Octomore-Whisky von Bruichladdich. Er erreicht zwischen 167ppm und 208ppm je nach Abfüllung – allerding gilt der Wert in ppm hier für die Gerste. Zum Vergleich: Ein 12 Jahre alter Bowmore liegt bei 30ppm, hier ist aber wieder der Phenol-Gehalt des Endprodukts gemeint.
Ob Gerste gemeint ist oder der fertige Whisky ist wichtig, denn das Phenol verliert sich über die Zeit. Sowohl im Brennprozess, als auch bei der Lagerung. Das ist der Grund, warum einige torfige Whiskys recht jung sind.
In einigen Fällen aber machen das die Destillerien gar nicht mehr selbst. Auf Islay übernimmt die Port Ellen Mälzerei das zum Beispiel für alle Diageo-Whiskys (Diageo ist Besitzer etlicher Destillerien in Schottland). Hier wird angeliefert, gemälzt und gedarrt mit Torf-Aroma.
Schroten des Malzes: Nicht zu fein und nicht zu grob
Danach wird das gemälzte Korn durch eine Mühle geschickt, wo es geschrotet wird. Die Kunst ist es, die richtige Feinheit zu finden. Wird zu grob geschrotet, wird im nächsten Prozess nicht die optimale Menge an Zucker freigesetzt. Wird es zu mehlig, kann es jedoch klumpen und die Mash Tun verstopfen.
Die Mühlen in den meisten Destillerien stammen entweder von Porteus oder Robert Boby Ltd. Beide haben derart langlebige Mühlen gebaut, dass fast nie Ersatz gebraucht wurde. Das trieb beide Hersteller in den Ruin.
Kommt beim Mahlen Geschmack in den Whisky? Nein. Die Konsistenz ist wichtig für die Verarbeitung. Doch in vielen Fällen lassen sich Destillerien heute schon das Schrot anliefern und mahlen gar nicht selbst.
Mash Tun: Den Zucker herauswaschen
Das Schrot oder Englisch „Grist“ lagert die Destillerie Bowmore in einer Grist Bin.
Am Ende dieses Behälter sieht man, dass das Schrot bereits zu einem weiteren Bottich geleitet wird.
Nach dieser mehr als brutalen Behandlung, hat sich das ehemalige Korn nun ein Bad verdient. Warmes Wasser wird zugesetzt, das den Zucker auswäscht. Das Ergebnis ist eine süßliche Flüssigkeit, die Würze – auf Englisch „Wort“. Das Abfallmaterial, also das ausgewaschene Schrot, landet oft als Tierfutter in Ställen. Die Würze sammelt sich im sogenannten „underback“.
Kommt mit der Würze Geschmack in den Whisky? Nein. Denn das zugeleitete Wasser – sei es noch so torfig – hat keinen großen Einfluss auf den Geschmack mehr. Bruichladdich etwa produziert auch untorfigen Whisky mit sehr torfigem Wasser.
Washback: Hefe verwandelt Zucker in Alkohol
Die Würze landet in einem Behälter namens Washback. Hier wird der Flüssigkeit Brauhefe beigegeben, die sich auf den Zucker stürzt und ihn in Alkohol umwandelt. Fermentieren heißt das auch. Das dauert je nach Distillery zwischen zwei Tagen bis zu 120 Stunden.
Das Ergebnis ist ein Bier, das „Wash“, das sich dann im Washback sammelt.
Kommt beim Fermentieren Geschmack in den Whisky? Ja! Kurze Fermentierung bringt einen scharfen Whisky hervor, lange Fermentierung einen leichteren und feineren.
Wenn das Bier fertig ist, geht es endlich an den Brenn-Prozess, das Destillieren des Alkohols.
Brennen: Jetzt wird aus dem Bier Hochprozentiger
Destillieren ist die Grundlage vieler Schnäpse, Lebenswässer, etc. Was passiert da? Kurz: Alkohol hat einen niedrigeren Siedepunkt als Wasser. Seine Dämpfe steigen also auf, bevor Wasserdampf entsteht. So trennt das Erhitzen den Alkohol aus dem Bier-Gemisch.
Bei der klassischen Whiskyherstellung sind es meist zwei, manchmal drei hintereinander folgende Brennprozesse. Und obwohl es mittlerweile schon ausgereifte Verfahren gibt, halten die Distiller an alten Kupferbrennblasen fest.
Zuerst kommt das Bier in die Wash Still, dort wird ein recht simpler Brennprozess durchgeführt, der die Low Wines produziert mit um die 25 Prozent Alkoholgehalt. Zwei Drittel des Washs enden als Abfallprodukt, die sogenannten Pot Ales.
Im zweiten Brennen in der Spirit-Still entsteht dann zirka 70-prozentiger Alkohol. Auch hier bleibt eine Flüssigkeit der Low Wines als Abfall übrig. Sie wird mit den Pot Ales vermischt und beides wird zurück in den Fluss oder das Meer gepumpt. Manchmal landet es auch als Dünger auf Feldern.
Kommt beim Brennen Geschmack in den Whisky? Oh ja! Und zwar auf verschiedene Arten, die hier etwas länger ausgeführt werden müssen. Denn die alten Kupferbrennblasen erzeugen eben gerade keinen reinen Alkohol – und genau das ist unheimlich wichtig.
Alkohol umfasst zum einen nicht nur den begehrten Ethanol. Beim Brennen steigt zum Beispiel bereits früher der Methanol auf – ein Alkohol, der in zu hoher Konzentration Menschen erblinden lässt. Den möchte der Brennmeister nicht haben.
Gleichzeitig aber sollen einige Stoffe beim Brennprozess nicht verloren gehen. Das oben angesprochene Phenol zum Beispiel oder gewisse Säuren. Man spricht von Congeners – „Artverwandten“. Genau das unterscheidet den baldigen Whisky von zum Beipsiel Wodka.
Was in der Spirit-Still passiert, ist komplex und wichtig. Die rauhe Oberfläche von Kupfer spielt dabei eine große Rolle: Man sagt, dass die Dämpfe sich mit dem Kupfer „unterhalten“. Die Neigung des Arms am Ende, die Größe und Höhe der Brennblase, die Füllung und das Tempo beim Erhitzen, all das bestimmt die Zusammensetzung des Destillats am Ende.
Kondensieren: Den Alkoholdampf verflüssigen
Wieder braucht es nun Wasser. Der heiße Alkoholdampf wird durch den Kondensator geleitet. Das sind meist Kupferrohr-Spiralen in Wasserbehältern, deren Aufgabe darin besteht, den Destillat-Dampf wieder zur Flüssigkeit herunterzukühlen.
Kommt beim Kondensieren Geschmack in den Whisky? Ein bisschen! Denn das Tempo des Abkühlens verändert den Charakter des Destillats noch einmal. Je langsamer gekühlt wird, desto leichter der Charakter.
Spirit-Safe: Das Herz des Destillats finden
Die Flüssigkeit gelangt nun in den Spirit-Safe. Ein Kasten aus Messing und Glas, in dem der Brennmeister bestimmt, ab wann im Brennvorgang das Destillat verwendet werden soll. Dazu schwenkt er einfach den Arm mit dem Auslauf über den einen Sammelbehälter oder den anderen. Der Vorlauf des Brennprozesses, auf Englisch „Foreshot“ oder „Heads“ und der Nachlauf, auf Englisch „Aftershot“, „Feints“ oder „Tail“, wird nicht verwendet, der Brennmeister ist auf den Middlecut aus, auf die „Hearts“.
Der Middlecut wird zum „Young Spirit“ oder „New Spirit“, also sozusagen ein Babywhisky mit einem Alkoholgehalt von knapp 70 Prozent.
Vor- und Nachlauf werden im Feints-Receiver gesammelt und wieder den Low Wines hinzugefügt. Der Middlecut gelangt in den Spirit-Receiver und wird dann zur Abfüllung meist noch mit etwas Wasser auf 63,5 Prozent Alkoholgehalt verdünnt.
Kommt beim Spirit-Safe Geschmack in den Whisky? Ja. Denn hier im Spirit-Safe entscheidet der Brennmeister, wie breit der Middlecut wird, also wann er beginnt und wann er aufhört. Das hat Einfluss auf die Reinheit des Alkohols und auch darauf, wie scharf oder leicht er wird.
Reifeprozess: Aromen aus benutzten Fässern
Nach dieser harten Tour durch Hitze und Kälte, darf sich das Destillat nun ausruhen. Und zwar einige Jahre. Mindestens drei Jahre reift ein Single-Malt. In dieser Zeit bekommt der Whisky den langen letzten Schliff.
Dazu wird der gebrannte Alkohol in Holzfässer gefüllt. Diese Fässer sind nicht neu, in ihnen wurde vorher bereits Sherry, Bourbon-Whiskey oder sogar Portwein gelagert. Und von diesen Spirituosen erbt der neue Whisky nun einen Teil des Aromas.
Bei der Lagerung verflüchtigt sich etwas Alkohol. Zirka zwei Prozent pro Jahr verschwinden in den Himmel als „Angels Share“, zu Deutsch: Anteil der Engel.
Kommt im Fass Geschmack in den Whisky? Und wie. Die Auswahl des Fasses ist entscheidend. Ehemalige Sherry-Fässer bringen Aromen wie Schokolade in den Whisky, Bourbon-Fässer eher Vanille – nur zwei simple Beispiele, einer wesentlich komplexeren Geschmackswelt.
Nicht nur in welchen Fässern, sondern auch wie lange gelagert wird, ändert den Geschmack. Man sollte aber nicht glauben, dass lange Lagerung per se besser ist – man denke hier nur an das verschwinden von Phenol.
Und es gibt sogar Kombinationen, in denen ein Whisky erst in einem Bourbon-Fass reift, ehe er für einige wenige Jahre noch einmal in einem Sherry-Fass veredelt wird.
Selbst der Standort des Lagerhauses, in dem die Fässer liegen, soll den Geschmack noch beeinflussen. Salzige Seeluft etwa soll ein spezielles Aroma in den Whisky bringen. Allerdings lagern die meisten Whiskys nicht mehr direkt bei der Brennerei, sondern in großen Lagerhäusern in den Lowlands.
Abfüllung: Filtern bevor es in die Flasche geht
Wenn man sich Whisky direkt aus dem Fass abfüllt, sind dort oft sogar kleine Kohlerückstände der Fasswände dabei. Außerdem gibt es Fette und unsere „Congeners“ die bei einer bestimmten Temperatur Schlieren und Wolken in der Flüssigkeit bilden können. Darum wird er Whisky gefiltert, eher er abgefüllt und verkorkt wird.
Kleinere Destillerien machen das noch selbst, wie zum Beispiel Kilchoman auf Islay. Die großen Brennereien nutzen hingegen zentrale Abfüllanlagen.
Kommt beim Abfüllen Geschmack in den Whisky? Sagen wir so: Hinein sicher nicht mehr, eher hinaus. In den meisten Fällen wird kühlgefiltert, „chill filtered“ auf Englisch. Dabei flocken einige Stoffe schnell aus und können herausgezogen werden. Das Problem: Diese „congeners“ sind ja eben auch wichtige Geschmackstoffe, um die sich der Brennmeister vorher bemüht hat.
Darum achten die meisten Whisky-Genießer heute darauf, dass auf dem Etikett „non chill filtered“ vermerkt ist. Viele Whisky-Destillerien verzichten nämlich heute bereits darauf.
Von der Flasche ins Glas: Das Ende einer langen Reise
Irgendwann landet die Flasche dann endlich bei uns Konsumenten. Und auch wir können den Geschmack noch beeinflussen. Das richtige Nosing-Glas, die Zugabe von etwas Wasser (ganz wenig!) oder auch einfach sich dafür Zeit zu nehmen und so etwas Alkohol verdampfen zu lassen, all das kann für uns das Geschmackserlebnis noch einmal verändern.
In diesem Sinne: Slàinte mhath!