Oft haben die kleinsten Inseln die größten Geschichten. Die Isle of Eriskay erzählt von extrem teuren Whiskyflaschen aus einem Wrack, einem königlichen Besucher und vielen kleinen Pferden.
Sie kamen in der Dunkelheit. Behände sprangen sie an Bord, ihre Frauenkleider raschelten, während sie sich gezielt dem Lagerraum des Schiffs näherten. Baumwolle, Medikamente, Kleidung … all das stießen sie beiseite. Sie waren nur auf das Eine aus. Sie wollten den Whisky!
Mein Reiseführer Äußere Hebriden
Auf 304 Seiten beschreibe ich die Inseln Lewis, Harris, North und South Uist, Benbecula, Barra und Vatersay. Außerdem 7 Touren und 232 Fotos.
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Es war das Jahr 1941 und in Europa tobte gerade der 2. Weltkrieg. Doch auf Eriskay blieb man verschont von Hitlers Bomben, bekam nichts mit von der Luftschlacht über England. Eine Auswirkung hatte der Krieg aber auch für die Insulaner der Äußeren Hebriden: Der Whisky wurde knapp. Für einen Schotten eine Katastrophe.
War es da nicht gottbestimmt, als direkt vor der Insel ein Schiff auf eine Sandbank lief und entzwei brach? War es nicht Gottes großer Plan, dass der zerberstende Rumpf über eine viertel Millionen Flaschen feinsten Edradour-Whisky freigab? Und durfte man sich nicht alles bergen, was der See gehört?
Die Männer, die an Bord des Unglücksfrachters SS Politician nach dem Whisky suchten, waren zwar dieser Meinung, doch wussten sie, dass die Zoll-Beamte später sicher anderer Ansicht waren. Beweise sollte es daher keine geben. Um also die Alltagskleidung vor belastenden Beweisen wie Ölflecken zu bewahren, hatten sich die Plünderer in die Kleider ihrer Frauen geworfen.
Den Seeleute der Politician ging es natürlich gut. Sie alle waren von den Einheimischen gerettet worden, waren in deren Häusern untergekommen und begannen rasch von der köstlichen Fracht zu erzählen. Auch Eriskay hat sich das rumgesprochen. Und nicht nur dort. Einige Plünderer machten sich auf den weiten Weg von der Isle of Lewis über das Meer. 200 Kilometer nur für Whisky! Ihr Durst muss wahrlich groß gewesen sein …
24.000 Flaschen sollen damals angeblich unter das Volk gekommen sein, was man nicht gleich trank, das wurde versteckt. Und so hatten die Einwohner von Eriskay einen guten Fang gemacht. Das zumindest dachten sie, bis … ja bis der Zollbeamte Charles McColl die Insel betrat. Er ließ Gehöfte durchsuchen und wurde nicht selten fündig. Und so landeten viele der Plünderer – trotz der List mit den Frauenkleidern – vor Gericht. Die Strafen fielen allerdings milde aus. Bis zu sechs Wochen Haft – mehr nicht.
Dennoch gab es eine Strafe, die wohl noch schlimmer war. Als der Zollbeamte erkannte, dass weitere Rettungsversuche der restlichen Ladung nicht möglich waren, ließ er das Schiff kurzer Hand sprengen – vor den Augen der durstigen Insulaner. „Whisky in die Luft jagen? Man sollte nicht glauben, dass es Menschen auf der Welt gibt, die so verrückt sind!“ Mit diesen Worten soll einer der Zuschauer das Spektakel angeblich kommentiert haben.
Doch es war nicht alles verloren. Immer wieder tauchten und tauchen einige Flaschen aus dem Bauch der SS Politician auf. Teils angeschwemmt am Strand, teils haben Taucher ihr Glück versucht und den Whisky im Wrack gefunden. Erst diese Jahr wurden zwei der Flaschen im Auktionshaus Christie’s versteigert – zusammen erzielten sie 12.050 Pfund.
Wissen: Land der Ponys und Landung des Prinzen
Auch die Äußeren Hebriden waren lange Zeit unter Herrschaft der Wikinger und Norweger. Daher stammt der Name Eriskay auch aus dem Altnordischen: „Eiriksey“ heißt zu Deutsch einfach „Eriks Insel“.
Auf dem Eiland am Südzipfel von South-Uist leben etwa 130 Menschen und etliche Ponys. Die kleinen Pferde sind an Menschen gewöhnt, denn man hatte sie hier als Nutztiere gezüchtet. Unsere Geschichte vom Besuch bei den Eriskay Ponies könnt Ihr hier lesen.
Es gibt außerdem eine sehenswerte kleine Kirche auf der Insel mit einer deutschen Schiffsglocke davor. Mehr dazu findet Ihr im Artikel zur St Micheal’s Church.
Eriskay ist noch aus einem zweiten Grund berühmt. Denn hier am Strand setzte einst Bonnie Prince Charlie zum ersten Mal Fuß auf schottischen Boden, ehe er weiter fuhr und in Glenfinnan den Aufstand der Jakobiten organisierte. Der Strand heißt heute daher Coilleag a‘ Phrionnnsa – der Strand des Prinzen.
Eriskay erreicht man seit 2002 bequem über eine Brücke, es besteht zudem eine Fährverbindung zur Nachbarinsel Barra.
Persönliche Anmerkung: Mit Tränen in den Augen
Ja, ich hatte Tränen in den Augen, als ich am Coilleag a‘ Phrionnnsa stand. Das lag allerdings hauptsächlich daran, dass der extreme Wind an diesem Tag mir Sand in die Augen wehte. Kurios war auch: Der Wind war stark aber ablandig. So war keine Welle zu sehen. Dafür knirschte es bei jedem Schritt unter den Füßen: Der ganze Strand war überseht von Muschelschalen. Gigantisch.
Eines der fliegenden Sandkörner bohrte sich übrigens derart in mein Auge, dass ich noch eine Woche später immer wieder spontan in Tränen ausbrach.
Tipp: Die Flaschen auf Eriskay sehen
Natürlich sind auch einige der Flaschen auf der Insel geblieben. Und wo anders sollten sie untergebracht sein, als im Pub der Insel, das auch noch nach dem Wrack benannt wurde: „Am Politician“. Das Pub ist ganz in der Nähe des Strand des Prinzen. Man kann hier zwar Flaschen sehen, aber nicht davon probieren. Vermutlich ist der Inhalt sowieso schon ungenießbar.
Anfahrt:
Mit Navigationsgerät: „HS8 5JL“ ins Navi tippen, das bringt einen auf die Insel.
Ohne Navi: Auf South-Uist fährt man zunächst auf der A865 und biegt dann kurz vor Lochboisdale ab auf die B888 nach „Eirisgeidh“ – so wird Eriskay auf Gälisch geschrieben. Der B888 dann folgen, bis man über den Straßendamm auf die Insel fährt.