Aufstieg und Fall der Stewart-Monarchie spiegeln sich in der Geschichte des Linlithgow Palace wieder. Eine ganz besondere Ruine.
Man könnte fast sagen: Linlithgow Palace ist das Motel der Stewarts. Denn hier stiegen die Könige und ihr Hof gerne auf der Reise zwischen Edinburgh und Stirling Castle ab, es liegt zirka auf halbem Weg. Allerdings würde das der historischen Rolle dieses Palasts herabwürdigen – und ein falsches Bild von der Größe der Anlage geben.
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Linlithgow Palace hat tatsächlich eine große Rolle in der Geschichte der Schotten gespielt. Gerade bei den Königinnen war die frische Luft abseits von Edinburgh beliebt, was zur Folge hatte, dass hier gleich zwei schottische Monarchen geboren wurden: James V. und Mary, Queen of Scots.
Achtung: Die Betreiber dieser Sehenswürdigkeit, das Historic Environment Scotland (HES), führt seit 2021 an vielen Sehenswürdigkeiten Untersuchungen oder Baumaßnahmen zum Erhalt der Gebäude durch. Dieses gehört dazu. Darum vorher informieren, ob und was begehbar ist. Mehr Hintergrund hier.
Zweihundert Jahre lang war dieser Ort zudem eine königliche Residenz, die immer wieder ausgebaut wurde. Und obwohl Linlithgow Palace heute eine Ruine ist, strahlt sie dennoch eine Erhabenheit und Schönheit aus. Das beginnt beim Betreten des Geländes durch das Haupttor.
Die bunten Wappen über dem Eingang fallen dabei besonders auf. Sie zeigen von links nach rechts die Wappen der vier Ritterorden, in denen James V. Mitglied war: der Hosenbandorden, der Distelorden, der Orden vom Goldenen Vlies und Ordre Saint Michel.
Deren Farbe wurde wiederhergestellt, und ähnlich bunt kann man sich den Palast zu damaliger Zeit vorstellen, denn früher wird nicht das Beige des Sandsteins dominiert haben.
Betritt man dann das Hauptgebäude, erreicht man den Innenhof. Hier ragen die vier Flügel des Palasts in den Himmel. In der Mitte zieht der alte Prunkbrunnen die Blicke auf sich.
Der Brunnen ist ein Meisterwerk, das übrigens heute noch funktioniert, aber nur zu bestimmten Gelegenheiten mit Wasser versorgt wird. Erbauen ließ ihn James V., die Feinheit der Statuen erstaunt heute noch.
Natürlich darf auch hier das schottische Einhorn nicht fehlen.
Der Brunnen war zu seiner Zeit ebenfalls bemalt, wie die Infotafel zeigt.
Gegenüber vom Eingang liegt der Nordflügel, der neueste Teil des Palasts, der sich auf vier Stockwerke plus Erdgeschoss erhebt.
Bei ihm fällt auf: Die 24 Fenster der vier Stockwerke tragen jeweils einen anderen Giebel – mal als Dreieck, mal als Bogen.
Obwohl doch erst 1607 erbaut, befindet sich der Nordflügel im schlechtesten Zustand, er ist vom Einsturz bedroht – nicht das erste Mal. Denn der neue Teil wurde hier erbaut, nachdem der alte Nordflügel eingestürzt war. Damals schlug man die Warnungen zur Baufälligkeit in den Wind. Heute dagegen wird es sehr ernst genommen, Bauarbeiten sind bereits im Gange und derzeit dürfen Besucher diesen Teil nicht betreten. Dafür aber die anderen drei Flügel.
Wendet man sich vom Eingang aus gesehen nach rechts, steuert man auf ein großes Tor zu. Das ist der ursprüngliche alte Osteingang des Linlithgow Palace. In den drei Erkern über dem Durchgang waren früher die drei Stände Klerus, Adel und Bürger als Statuen symbolisiert. Heute sieht man lediglich noch ein Paar Füße. Das Tor selbst wirkt dennoch prunkvoll und es wurde auch nachdem Bau des neuen Durchgangs im Süden weiter zeremoniell genutzt.
Im Inneren des Ostflügels befindet sich die große Halle mit ihrem dreiteiligen Kamin am Ende.
Von hier aus und über die vier Wendeltreppen im Hof lässt sich das Innere des gesamten Linlithgow Palace erkunden – und das ist durchaus eine Aufgabe. Denn neben Gewölben und Küchen, finden sich hier die Kammern der königlichen Hoheiten, eine Kapelle und viele weitere Räume. Alle allerdings unmöbliert und meist ohne Fensterglas.
Nur in einem Gang im Südflügel schützen Glasfenster einige Vitrinen vor dem Wetter. Hier sieht der Besucher Relikte und Funde aus dem Palast: altes Geschirr, Jagdwaffen, Schiffsanker und mehr.
Mutige geben sich noch ein Erlebnis und klettern auf den Turm im Nordwesten. Dort ergibt sich ein herrlicher Blick in alle Richtungen, so auch über das Linlithgow Loch …
… oder Richtung Stadt und Kirche.
Höhenangst darf man hier nicht haben.
Wenn man sich am Inneren des Palasts sattgesehen hat, sollte man das Gebäude noch einmal umrunden. Zwar wirkt der Palast von außen eher wie ein Klotz, dennoch gibt es hier noch einige Details.
Vor allem im Osten kann man den ehemaligen Haupteingang sehen und sich vorstellen, wie damals hier eine Zugbrücke installiert war.
Außerdem sieht man das Vorwerk, das einerseits aus Verteidigungszwecken, andereseits aber auch aus Stabilitätsgründen errichtet wurde.
Und natürlich gibt es dann auch noch einen schönen Blick auf die St Michael’s Church.
Danach kann der Besucher den Palast wieder verlassen. Die schmale Gasse vom Tor aus führt hinunter zum Marktplatz, an dem es Cafés gibt, die nach der ausgiebigen Erkundung ersteinmal Stärkung und Erholung verheißen.
Wissen: Die Geschichte des Linlithgow Palace und Outlander-Drehort
Die verschiedenen Bauphasen des Palasts sind relativ gut dokumentiert. So begannen die Arbeiten daran durch James I. von Schottland im Jahre 1424, nachdem die Burg an diesem Platz durch ein Feuer verwüstet worden war. Zunächst wurde der Ostflügel und ein Teil des Südflügels errichtet in einer L-Form. James III. baute ab 1460 weiter, ließ den Südflügel komplettieren und begann mit dem Westflügel. Sein Nachfolger James IV. schloss dann den Palast zur heutigen rechteckigen Form zusammen.
Parallel wurde auch immer an der benachbarten St Michael’s Church gearbeitet, deren Vorgängerin durch das selbe Feuer zerstört wurde wie die alte Burg.
James V. beauftragte seinen Baumeister James Hamilton of Finnart mit Änderungen. Der verlegte den Eingang vom Osttor in den Süden. Finnart machte ähnliche Änderungen übrigens auch bei der Blackness Castle und erbaute auch den Rennaissance-Teil auf Stirling Castle.
Auch das schönste Stück des Palasts, der Brunnen, entstand in dieser Zeit.
Um 1550 herum befand sich Linlithgow Palace auf seinem Höhepunkt. Doch 1603 wurden die Kronen der Königreiche England und Schottland vereint auf dem Haupt eines Herrschers: James VI. von Schottland wurde James I. von Großbritannien. Die Folge: Das Leben des Königshofs verlagerte sich nach London, das Interesse am Palast in Schottland schwand. Zwar investierte auch James VI. notgedrungen in den neuen Nordflügel, nachdem der alte zusammengebrochen war, doch der Niedergang war nicht mehr aufzuhalten.
Das endgültige Aus der Stewarts bedeutete dann auch das Ende des Palasts. Der letzte Thronanwärter der Stewarts, Charles Edward – besser bekannt als Bonnie Prince Charlie – zog 1745 am Palast während des Jakobitenaufstands auf seinem Weg nach Edinburgh vorbei. Ein Jahr später kampierten hier die Truppen seines Gegners des Duke of Cumberland. Ob mit Absicht oder durch einen Unfall, setzten die Soldaten Feuer im Palast und er brannte größtenteils nieder. Die Stewart-Dynastie endete nach der Niederlage bei Culloden. Linlithgow Palace blieb eine Ruine.
Übrigens war auch Linlithgow Palace ein Drehort für Outlander: die Szenen zum Wentworth Prison wurde hier gedreht.
Tipp: Ein Spaziergang am Loch Linlithgow
Zu den Füßen des Palast breitet sich das Linlithgow Loch aus. Es ist der größte Süßwassersee in den Lothians und bietet vielen Wildtieren eine Heimat: Otter, Marder, Fledermäuse, Vögel – sie alle leben am Loch. Zudem hat man von hier aus einen schönen Blick auf den Palast selbst.
Um den See führt ein Rundweg, der zirka 3,5 Kilometer lang ist.
Persönliche Bemerkung: Der Palast der tausend Wege
Auf dem Weg zum Esszimmer wäre ich vermutlich verhungert, so lang und unübersichtlich wirken auf mich die Wege im Palast selbst. Ich habe mehrfach die Orientierung verloren. Es lohnt sich aus meiner Sicht daher durchaus, wenn man sich vorher einen Grundriss der Anlage besorgt.
Anfahrt:
Mit Navigationsgerät: „EH49 7AL“ bringt einen in die Stadt. Rest wie unten.
Ohne Navi: Von Edinburgh aus auf die M9 Richtung Stirling. An der Ausfahrt 3 nach Bo’ness und Linlithgow die Autobahn verlassen und nach Linlithgow fahren. In den Kreisverkehren jeweils geradeaus fahren und auf der Haupstraße durch die Stadt bleiben, bis der Marktplatz mit seinem Brunnen und dem alten Rathaus dahinter erscheint. Hier dem braunen Hinweisschild zum Linlithgow Palace folgen. Man kann versuchen oben am Palast selbst zu parken, oder man biegt kurz nach dem Marktplatz links zum großen Parkplatz ab. Der kostet ein bisschen Gebühr, die sich aber in Grenzen hält.
Hi Stephan,
derzeit sind irgendwie einige der Burgen, die wir angedacht haben zu besichtigen (Linlithgow, St. Andrews, Doune Castle) wegen Baumaßnahmen geschlossen. Gibt es da vielleicht Erfahrungswerte ob das eher kurzzeitige Schließungen sind oder ob sowas auch schon mal ein paar Monate dauern kann?
Danke und Gruß, Sascha
Leider nicht, es klingt aber so, als wären einige betroffen und als müsste an die Substanz ran:
https://www.historicenvironment.scot/about-us/news/new-measures-introduced-to-manage-the-impact-of-climate-change
Hab grad deinen Post auf Facebook gesehen.
Dann lassen wir uns mal überraschen, wie es ab Ende Mai so ausschaut. Aber es gibt ja hoffentlich genug Alternativen und ansonsten bleibt mehr Zeit für andere Dinge.
Da wir heute da waren mal ein kurzes Feedback von uns.
Derzeit befindet sich an jeder Seite der Burg ein Baugerüst, so dass eine Besichtigung von Außen wohl derzeit auch nicht wirklich Sinn macht.
Aber die Tomatensuppe im Café lohnt sich dafür :D
Danke für Deine Rückmeldung für Mai 2022. Sie hilft.