Lochranza Castle sah keine großen Schlachten, war kein Stammsitz eines Clans und ist doch berühmt. Ein belgischer Comic-Held verhalf ihr zur Bekannheit. Und im Sonnenuntergang bekommt sie wunderbare Besucher.
Eine Bucht, der Sonnenuntergang, eine Ruine – viel mehr Schottland-Romantik als hier in Lochranza auf der Isle of Arran schon fast nicht mehr möglich. Doch es geht, denn uns sollte bei unserem Besuch noch eine besondere Überraschung erwarten.
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Wir waren gerade von Kintyre mit der Fähre übergesetzt und hatten noch nicht einmal im Bed & Breakfast eingecheckt. Wie gesagt: Die Sonne ging unter und tauchte die Burg und ihre Umgebung in ein warmes Orangerot.
Natürlich wollte ich das sofort fotografieren, also hielten wir. Ich schnappte mir das Stativ und stürmte die Straße entlang, um eine gute Position zu finden.
Es war windstill, das Wasser glatt, so dass sich die Burg darin spiegelte – ein perfektes Motiv. Ansonsten hatte sich das Meer gerade aus der Bucht zurückgezogen und hatte den Seetang freigegeben. Midges kreisten in Schwärmen um mich herum.
Geplagt aber auf die Castle konzentriert dauerte es ein wenig, bis ich merkte, was in meinem Rücken passierte: In einer langen Reihe wanderte Rotwild vom Berg hinter mir hinab in die Bucht. Selbstsicher überquerten sie die Straße, dann einen kleinen Fluss und gelangten schließlich zum Seetang.
Objektiv-Wechsel! Schnell, das Telezoom raus und auf die Kamera geschraubt. Hirsche in einer Bucht vor einer Burg – das würde ich sicher so schnell nicht wieder sehen.
Die Hirsche ließen es sich hier gut gehen, suhlten sich im Schlamm und Seetang und stubsten sich gegenseitig neckisch an. Zwei entdeckten eine Boje als Spielzeug und schoben sie mit dem Geweih hin und her.
Ich verbrachte hier die restlichen Minuten des Sonnenuntergangs, diese Menge an Rowtild und diese geringe Scheu habe ich bisher nur auf Arran erlebt. Und das Tolle: Auch am nächsten Abend waren die Hirsche wieder da. Sie gehören zu Lochranza und man sieht auch, dass sich die Einwohner auf die Dauergäste eingestellt haben: durch immens hohe Gartenzäune, durch viel Geduld auf dem nahen Golfplatz, aber auch mit der Speisekarte in den Restaurants.
Die Burg haben wir am nächsten Tag dann noch im Hellen angesehen.
Man kann einige Details bestaunen, wie die Pechnase außen.
Oder die frühere Wendeltreppe.
Insgesamt lohnt sich die Burg von außen allerdings mehr.
Wissen: Über die Lochranza Castle und Tims Abenteuer
Lochranza leitet sich vom Gälischen Loch Raonsa ab. Die Schreibweise wurde, wie so oft, mehr schlecht als recht „eingeenglischt“. Das Loch ist in dem Fall eine Meeresbucht die sich im Norden Arrans zwischen die umgebenden Berge einbettet. Somit bietet sie einen natürlichen Hafen an.
Die Burg wiederum steht auf einer Landzunge, die in das Loch seitlich hineinschneidet und es in zwei Hälften teilt.
Lochranz Castle ist durchaus eine alte Burg. Vermutlich bauten die MacSweens hier die erste Version als ein „Hall House“ (interessanterweise ein Begriff, der im Zusammenhang mit dieser Burg immer fällt, aber auch wissenschaftlich hinterfragt wird). Es heißt, sie habe Richtung Meer geschaut und wurde erst später so umgestaltet und erweitert, dass sie zum Ort hin blickte.
Die MacSweens – oder Mac Suibhne auf Gälisch, Svens Söhne auf Deutsch – sind ein irischer Clan schottischen Ursprungs. Sie besaßen im 13. Jahrhundert Land in Argyll bis nach Loch Awe. Aber sie schlossen in Schottland die falschen Bündnisse, stellten sich zum Beispiel gegen Robert the Bruce. Die Folge: Sie verloren das Land und zogen sich nach Irland zurück, wo sie als Clan Sweeney wieder Macht erlangten. Die in Schottland verbliebenen Clan-Mitglieder waren bald unter anderem als MacQueens bekannt.
Lochranza Castle ging bereits im 13. Jahrhundert an die Stewarts und im 18. Jahrhundert schließlich an die auf Arran allmächtigen Hamiltons. Die Burg stand im Schatten der wichtigeren Brodick Castle und wurde schließlich dem Verfall preisgegeben.
Ruhm erlangte sie erst durch einen belgischen Reporter namens Tim oder „TinTin“, der in den Comics der 1960er Jahre auch ein Abenteuer in Schottland erlebte. Im Band „Tim und die schwarze Insel“ besucht er eine Burg. Comic-Zeichner Hergé war nie in Schottland, bezog sich aber auf Fotografien, die sein Mitarbeiter Bob de Moor geschossen hatte. Man vermutet stark, das Lochranza ein Modell für die schwarze Burg des Comics war.
2008 drehte er britische Komiker Dom Joly eine Dokumentation über den Comic und besuchte die Orte. Er vermutet Kisimul als die Burg des Comics, was auch passen würde. Seltsamerweise springt er in der Doku dann aber wie von Zauberhand in die Lochranza Castle …
Tipp: Ein wenig Zeit an der Burg
Wie schon gesagt: Von innen ist Lochranza Castle nicht wirklich ein Bringer. Aber auf dem Landvorsprung ist ein gepflegter Rasen und Bänke, die den Blick auf die Bucht mit den vielen Segelbooten freigeben. Bei gutem Wetter lässt sich hier gemütlich ausspannen. Und mit etwas Glück sieht man eben auch Hirsche oder zumindest eine verspielte Katze.
Anfahrt:
Mit Navigationsgerät: „KA27 8HQ“ bringt einen nach Lochranza, die Burg ist dort an der Bucht leicht zu finden.
Ohne Navi: Kommt man von Kintyre, etwa weil man vorher auf Islay war oder in Kilmartin, legt die Fähre direkt in Lochranza auf Sichtweite der Castle an. Kommt man jedoch von Brodick aus, muss man die Ringstraße in nördlicher Straße fahren. Sie führt ebenfalls direkt an der Castle vorbei. Parken kann man direkt an der Straße nahe der Burg, dann führt ein Weg bis zum Eingang.