Eine sehr alte Burg an der Westküste Schottlands soll bald in neuem Glanz erstrahlen und wieder stolz über den Sound of Mull blicken.
Bisher fiel die Burg kaum auf. Wenn Touristen mit der Fähre von der wilden Halbinsel Ardnamurchan nach Tobermory auf der Isle of Mull übersetzten, mögen sich manche vielleicht gewundert haben, über den grauen und unscheinbaren Kasten in der Nähe des Fähranlegers. Dass sich dahinter eine uralte Burg verbirgt, kann man ja nicht ahnen.
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Die Schönheit von Mingary Castle erschließt sich auch wahrlich nicht aus der Ferne, denn von dort aus sieht man nur die bis zu 14 Meter hohen grauen Steinmauern.
Erst wenn man sich nähert, fällt die geometrische Eleganz ins Auge. Mingary Castle, das ist ein secheckiges Statement der Macht, gebaut auf einem ins Meer ragenden Felssporn. Wehrgänge führen hinter Zinnen entlang, im Inneren befinden sich schlichte mehrgeschossige Unterkünfte, die hauptsächlich für eine militärische Besatzung gedacht waren.
An Mingary Castle ist nichts gekünstelt, es gibt kein Chi-Chi. Sie ist das geblieben, wofür sie gedacht war: Ein ehrlicher Kampfkoloss, ein drohender Wächter über den Sound of Mull, der die wichtige Schiffsroute entlang der Westküste Schottlands kontrollierte.
In der Zeit, als andernorts die alten Burgen „schlossifiziert“ und meist mit aufwendigen Gartenanlagen umgeben wurden, überließen die Besitzer Mingary Castle schon dem Verfall – seltsamerweise blieb genau dadurch die alte Bauweise der Burg erhalten.
Doch der Verfall bedroht heute die Burg nicht dort, wo man es vermutet, nicht bei den meterdicken Mauern. Es ist der Fels darunter, den Wind und Meer langsam abnagen und der nun blockweise wegbricht. Mingary ist in seinen Grundfesten bedroht.
Der zweite Frühling für Mingary Castle
Wer heute auf die Burg blickt (Stand Herbst 2014), sieht nichts mehr von den Mauern. Ein großes Gerüst hüllt die Castle ein, denn Mingary Castle wird wieder aufgebaut. (Es scheint fast so, als gäbe es derzeit eine Renaissance der Burgen auf Ardnamurchan. Denn auch das nahe Castle Tioram sollte bald renoviert werden, was sich allerdings nun doch zerschlagen hat.)
Landbesitzer Donald Houston hat dazu den Mingary Castle Trust ins Leben gerufen, der einen Plan für den Wiederaufbau entwarf und nun auch durchführt. Zunächst nahmen sich Spezialisten des Gesteins unter den Mauern an. Sie bohrten metertiefe Löcher, in die sie Harz oder Mörtel einfüllten, um so die äußeren Blöcke wieder „festzunageln“.
Danach überließ man den Archäologen das Feld. In aller Ruhe konnten sie interessante Fundstücke zu Tage fördern: Münzen, Kanonenkugeln, die Steine des alten Torbogens, Pfeilspitzen, Knochen, Glas- und Tonscherben kamen zum Vorschein.
Doch seit dem Herbst sind die Bauarbeiter am Werk und haben der Burg bereits ein provisorisches Dach für den Winter beschert. Die Steine im Inneren werden aufgesammelt, per Hand gewaschen, sortiert und in einem Schuppen eingelagert, um im rechten Augenblick wieder ihren alten Platz im Burggemäuer einzunehmen, verbunden mit einem speziellen Mörtel, der dem alten nachempfunden ist.
Bis Ende 2014 soll Mingary dann wieder in alter Pracht den Sound of Mull überblicken. Doch diesmal ohne kriegerische Absicht. Stattdessen denkt man über eine Art Herberge nach, mit mehreren Schlafzimmern, einem Speisesaal, einer Bibliothek und mehr – ob sie allerdings zugänglich für Besichtigungen sein wird, ist derzeit leider noch unklar.
Wissen: Mingary Castles geheimnisvolle Geschichte
Der dichte Nebel der Zeit hat die Ursprünge der Burg verhüllt. Weder weiß man sicher das Datum des Erbauens, noch kennt man den Bauherren oder die genaue Bedeutung des Namens „Mingary“. Und so bleiben Vermutungen. Man geht zum Beispiel davon aus, dass Mingary etwa zu selben Zeit entstanden ist, zu der auch Tioram erbaut wurde. Castle Tioram wurde 1380 in einer Chronik erwähnt, und so ist also auch für Mingary ein Datum in der Mitte des 14. Jahrhunderts wahrscheinlich.
Noch unklarer als die Ursprungszeit, sind die verantwortlichen Bauherren. Denn Historiker streiten sich trefflich darüber, wer im 13. und 14. Jahrhundert die Herrschaft über die Halbinsel Ardnamurchan ausübte. Im Gespräch sind nicht weniger als vier Parteien: Die MacIans, die MacDonalds, die MacDougalls und die MacRuairis. Keiner kann sicher sagen, wer nun wirklich verantwortlich war.
Klar ist aber, dass Mingary zeitweise ein Teil der Küstensicherungsanlagen der Lords of the Isles war – ebenso wie zum Beispiel auch Duart Castle auf Mull. So wurde der für den Handel damals so wichtige Seeweg entlang der Westküste kontrolliert und gesichert.
Und schließlich gibt es auch über den Namen der Burg nur Vermutungen. Mingary ist wohl eine englische Version des gälischen „Mioghairidh“. Einige meinen, das käme von den nordischen Wörtern „mikil gardhr“, was so viel heißt wie „großes Haus“. Andere behaupten, es würde „großes Land zwischen Machair und Moor“ bedeuten (Machair ist ein fruchtbarer Küstenstreifen).
Gesichertes Geschichtswissen gibt es dann über die zweite Bauphase, die im 16. Jahrhundert vollzogen wurde. Da wurde das Innenleben der Burg in heutiger Form gestaltet. Weitere Baumaßnahmen gab es auch noch in den darauf folgenden Jahrhunderten. Bis eben im Jahre 1848 die Burg verlassen wurde.
Tipp: Dabei, wenn die Castle renoviert wird
Was mich wirklich beeindruckt, ist das Blog, das den Bau begleitet. Detailliert kann man hier den Fortgang der Arbeiten beobachten. Es gibt Aufnahmen aus allen erdenklicken Blickwinkeln – sogar aus der Luft. Auch über die Erkenntnisse der Archäologen wird berichtet. Funde werden präsentiert, Baupläne erläutert.
Man kann also ganz nah miterleben, wie Mingary wieder aufgebaut wird. Und das ohne nach Schottland zu reisen. Übrigens hat mir Blogbetreiber Jon Haylet auch alle Fotos bis auf eines hier zur Verfügung gestellt.
Persönliche Anmerkung: Ein Blick von der Fähre aus
Auch ich habe Mingary bisher immer nur aus der Ferne gesehen – schließlich liegt die Burg auf Privatbesitz. Daher gibt es auch von mir nur Aufnahmen der Burg vom Pier bei Kilchoan aus.
Die grandiose Kulisse hinter der Burg lässt die grauen Mauern dabei kaum zur Geltung kommen. Sicher auch ein Grund, warum sie von manch Touristen erst gar nicht wahrgenommen wird. Ich bin sicher, das wird sich nun bald ändern, wenn das Leben wieder in die alten Gemäuer zurückkehrt.
Anfahrt:
Mit Navigationsgerät: „PH36 4LJ“ bringt einen in die Nähe des Fähranlegers, von wo aus man die Burg sieht.
Ohne Navi: Entweder man setzt von Tobermory auf Mull mit der Fähre nach Kilchoan über, oder man kommt über Ardnamurchan au der A861 und dann auf der B8007.