Der Old Calton Burial Ground liegt mitten in Edinburgh an exponierter Stelle. Dennoch laufen die meisten Touristen an ihm vorbei. Was sie dabei verpassen.
Viele hasten auf ihrem Weg zum Calton Hill Aussichtspunkt am Aufgang zum Old Calton Hill Burial Ground vrobei. Vielleicht auch, weil sich der Friedhof zur Straße hin nicht so auffällig präsentiert.
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Ein steinernes Tor mit Rundbogen und Gitter, dahinter eine Treppe – mehr ist nicht zu sehen. Dass sich an deren Ende ein wunderschöner alter Friedhof erstreckt, offenbart sich nur dem, der die Stufen erklimmt.
Die Treppen münden in eine Art Hohlweg, der den Hügel durchschneidet. Links und rechts davon stehen die alten Grabsteine des Old Calton Burial Ground.
Am Ende des Weges im Süden des Friedhofs erheben sich größere Monumente. Sogar ein Obelisk ragt hier hoch hinauf, dazu noch ein kreisrundes Mausoleum und … Abraham Lincoln!?!?
Ja. Auch der Präsident, unter dem der amerikanische Bürgerkrieg ausgefochten wurde, posiert hier als Denkmal. Oder besser: Das Denkmal zeigt ihn und zu seinen Füßen einen dankbaren, befreiten Sklaven. Aber all das soll nicht an ihn erinnern, sondern an schottische Soldaten, die im amerikanischen Bürgerkrieg für die Union ihr Leben ließen.
Errichtet wurde das sogenannte Emancipation Monument im Jahr 1893. Es ist angeblich das einzige Denkmal an den amerikanischen Bürgerkrieg außerhalb der USA. Und es ist die erste Statue von Lincoln, die außerhalb der USA errichtet wurde.
Im Hintergrund von Lincolns imposanter Statur erhebt sich ein zylindrisches Mausoleum auf dem Old Calton Burial Ground. Ein großer Name prangt über der Pforte: David Hume. Hier liegen seit 1776 die sterblichen Überreste des bekannten schottischen Philosophen der Aufklärung. Christliche Symbolik sucht der Betrachter vergeblich: Hume starb als Atheist.
Und dann ist da ja noch der Obelisk, das alles überragende Denkmal für die fünf politischen Märtyrer. Eine von ihnen ist zum Beispiel Thomas Muir, der als ein Vater der schottischen Demokratie gilt. Muir setzte sich im Geiste der französischen Revolution auch in Schottland für die Bürgerrechte ein. Er wurde dafür prompt 1794 in die Strafkolonie nach Australien deportiert. Zwar schaffte er die Flucht zurück nach Paris, starb dort aber bereits 1799.
Der Obelisk wirkt fast besser aus der Ferne, gehört er doch zum Ensemble des gesamtem Calton Hill.
Im hinteren Bereich des Old Calton Burial Ground stehen viele kleine Mausoleen, die sich an der Friedhofswand entlangziehen.
Die Türme mit Zinnen am Ost-Ende dieser Reihe sind Teile des Governor’s House, dem letzten Rest des Calton Jails – des größten schottischen Gefängnisses, das hier bis 1937 stand. Es wurde abgerissen, um dem St Andrew’s House Platz zu machen, in dem heute die schottische Verwaltung sitzt.
Auf dem Old Calton Burial Ground liegen noch viele bekannte Personen Edinburghs – Architekten, Publizisten, Schauspieler oder Kaufleute. Sie lassen an sich erinnern durch große und kleine Grabsteine, Mausoleen und Obelisken. Mitten in der Stadt, vor den Blicken der meisten Touristen versteckt.
Wissen: Über den Old Calton Burial Ground
Der Friedhof am Calton Hill geht zurück bis in das Jahr 1718. Zwar lag das Gelände weit weg von der zuständigen Gemeindekirche in Leith, dafür wunderbar nah an der Gemeinde, die ihre Toten unter die Erde bringen wollte.
Als in der Zeit um 1800 herum die New Town von Edinburgh entwickelt wurde, brauchte dieser neue Stadtteil der Reichen auch einen nahen Friedhof. Zudem war der Greyfriars Kirkyard in der alten Innenstadt von Edinburgh bereits überfüllt. So kam es also, dass viele angesehene Personen ihre letzte Ruhe auf dem heutigen Old Calton Burial Ground fanden.
Wobei die Nachbarschaft der Toten bald zweifelhaft wurde: Mit dem Calton Jail baute die Regierung an die Ostseite des Friedhofs das damals größte Gefängnis in Schottland. Und es kam noch schlimmer.
Der Grund, dass Besucher heute über eine Treppe und einen Hohlweg zu den Gräbern hinaufsteigen müssen, liegt in der Straße begründet, die um 1815 hier hindurch gebaut wurde. Sie zerschnitt den alten Friedhof in der Mitte und lag dabei um einiges tiefer als der Friedhofs-Hügel. Ein Teil des Old Calton Burial Ground liegt nördlich der Straße abgeschnitten.
Die Stadt kompensierte den fehlenden Old Calton Burial Ground durch den New Calton Burial Ground ein Stück weiter im Osten, auf dem seit 1817 Begräbnisse stattfinden. Übrigens ein ebenfalls sehr sehenswerter Friedhof.
Ab 1865 wurden weitere Begräbnisse auf dem Old Calton Burial Ground untersagt. Dennoch gab es weitere Projekte, wie etwa 1893 das Errichten des Denkmals der schottischen Soldaten, die auf der Unionsseite im amerikanischen Bürgerkrieg gekämpft haben.
Tipp: Tour über fünf Friedhöfe
Edinburgh hat fünf historische Friedhöfe, die alle einen Besuch wert sind: der neue und der alte Calton Burial Ground, Greyfriars Kirkyard, St Cuthbert und Canongate Kirkyard. Sie alle lassen sich in einem Spaziergang von nur zirka 3,5 Kilometer quer durch die Stadt erkunden (als Rundweg 5 Kilometer). Zirka eine Stunde sollte man als reine Gehzeit einplanen. Zur Tour gibt es schöne Faltblätter als PDFs, die auch Besonderheiten auf dem jeweiligen Friedhof zeigen. Alle Infos dazu zeigt die Edinburgh World Heritage Seite zu den Friedhöfen.
Nicht dabei ist der Dean Cemetery. Der kann im Rahmen des Spaziergangs zum Dean Village erkundet werden.
Anfahrt:
Zu Fuß: Der Old Calton Burial Ground liegt am Waterloo Place, der die östliche Verlängerung der Princes Street ausbildet und von dort aus auch leicht zu Fuß zu erreichen ist. Der Eingang liegt kommend von der Princes Street auf der rechten Seite.
Mit Navigationsgerät: „EH8 8BG“ bringt einen in die Innenstadt.
Ohne Navi: In Verlängerung der Princes Street kann das Auto mit Glück und viel Geld direkt gegenüber des Friedhofs geparkt werden.
Es ist schon eine kleine Kunst, einen Friedhof als sehenswerten Ort zu erzählen. Habe ich gern gelesen, und wenn ich mal nach Schottland reise, wer weiß … Kompliment!