Sie ist Schottlands berühmteste und vielleicht auch schönste Kirche. Doch wer hat sie eigentlich erbauen lassen? Die Spur führt in den Norden.
Was für eine Pracht! Die Rosslyn Chapel zeigt gotische Seitenstreben, auf denen spitze Türmchen thronen, sogenannte Fialen. Ornamente zieren das äußere Mauerwerk und Statuetten blicken aus ihren Erkern auf den staunenden Besucher hinab. Und das ist noch nichts gegen das, was einem im Inneren der Kirche erwartet.
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Rosslyn Chapel ist sicher eine der schönsten Kirchen Schottlands, und eine der ältesten noch erhaltenen dazu – schon im Jahr 1456 begann die Familie Sinclair sie zu erbauen. Natürlich weiß Das Gebäude viele bewegende Geschichte zu erzählen. Zum Beispiel die des Verfalls, dem der Bau lange Zeit unterlag.
Denn als Mitte des 16. Jahrhunderts die kirchliche Reformation in Schottland wütete, mussten die Sinclairs den Altar auf Befehl zerstören und die Rosslyn Chapel aufgeben. Die Familie blieb zwar katholisch, hielt aber die Messe nun geschützt in einer kleinen Kapelle ab. Truppen des berüchtigten Oliver Cromwell nutzten die Kirche später gar als Unterkunft für sich und ihre Pferde. Die Schönheit der Rosslyn Chapel verblasste.
Doch immer wieder kamen auch damals schon Besucher. Sogar Nationaldichter Robert Burns ließ sich von der Kapelle Ende des 18. Jahrhunderts inspirieren. Als schließlich Queen Victoria 1842 Rosslyn Chapel sah, wie sie pflanzenüberwuchert dahinvegetierte, erklärte sie, dass die Kirche zum Wohle des Landes erhalten werden müsse. Befehl ist Befehl, und zwanzig Jahre später wurden hier wieder Gottesdienste abgehalten.
Es dauert dennoch noch rund hundert weitere Jahre, bis die Restauration umfassend in Angriff genommen wurde, und sie setzt sich auch heute noch fort – Feuchtigkeit macht den Mauern das Leben schwer. Doch heute können Besucher den einstigen Glanz dennoch wieder spüren.
Vor allem innen – wo das Fotografieren verboten ist – zeigt sich die Handwerkskunst der damaligen Zeit. Feinste Ornamente, aufwendige Gräber und bunte Glasfenster offenbaren sich. Besonders die sogenannte Lady’s Chapel vorne in der Kirche ist mit einer überbordenden Menge feiner Steinarbeit verziert.
Hinter den offensichtlichen Geschichten, die die Bilder und Reliefs erzählen, stecken oft noch weitere, die erst durch die Erläuterung der Tourist-Guides offenbar werden. Die vom Lehrling etwa, der eine wunderschöne Säule erschuf, während sein Meister abwesend war. Der Meister nämlich glaubte nicht, dass die Säule gemacht werden konnte, ohne das Original in fernen Ländern gesehen zu haben. Also brach er auf. Bei seiner Rückkehr sah er jedoch, dass der Lehrling die Säule bereits perfekt gearbeitet hatte. Der eifersüchtige Alte konnte das nicht ertragen und brachte den Jungen kurzerhand um. Der Meister selbst wurde dafür zum Tode verurteilt und als weitere Strafe muss ein steinernes Abbild seines Gesichts in der Ecke der Kirche nun für immer auf die Säule des Lehrlings schauen.
Schließlich gab es noch eine – allerdings fiktive – Geschichte, die der Rosslyn Chapel zu Weltruhm verhalf. Denn der Schriftsteller Dan Brown ließ das Ende seines Bestsellers „The Da Vinci Code“ in der Kapelle spielen. Einige Zeit später wurde das Buch auch verfilmt, was noch heute Besucher anlockt – rund 150.000 finden jedes Jahr hierher. Lustigerweise war die Kapelle zu der Zeit des Filmdrehs eingerüstet wegen Renovierungsarbeiten. So mussten die Filmemacher künstliche Wände errichten.
Immer wieder rankten sich auch schon vor Dan Browns Roman Gerüchte um die Verbindung zwischen der Familie Sinclair oder Saint Clair und die Freimaurer und Tempelritter. Wie so oft ist da aber mehr Wunsch als Realität dabei. So sagten die Sinclairs zum Beispiel in einem Prozess im Mittelalter nachweislich gegen Tempelritter aus. Das passt nicht zusammen.
Ob in Rosslyn Chapel also der heilige Gral und Gebeine der Templer verborgen sind, muss der Besucher selbst herausfinden. Versprechen kann man jedoch: auf jeden Fall wird der Besucher hier eine wunderschöne, wenn nicht gar die schönste Kirche Schottlands finden. Zurecht eine der 20 schönsten Sehenswürdigkeiten Schottlands.
Tipp: Ausflug zur Rosslyn Castle
Nur einige Minuten zu Fuß entfernt liegt an einem Tal die Ruine von Rosslyn Castle, dem ehemaligen Sitz der Sinclairs. Die frühsten Teile datieren auf die Jahre um 1304.
Um zur Ruine zu gelangen, muss der Besucher zunächst den Weg zwischen Parkplatz und der Rosslyn Chapel hinuntergehen. Es geht dabei vorbei an einem schönen Friedhof.
Bevor man dann die Burg betreten kann, geht es zunächst über eine schöne und hohe Steinbrücke.
Auf dem Hof ist vor allem der Blick über das Roslin Glen schön, außerdem sieht man hier, wie weit das Haus der Burg nach unten reicht.
Der Ausflug und die Erkundung der Burg sind eine Bereicherung zur Besichtigung der Kirche. Zumal sich dorthin nur wenige Besucher verirren. Allerdings gibt es nun Pläne, die Burg zu erhalten, indem man sie mit Unterkünften für Besucher ausstattet.
Wissen: Über den Bauherren der Rosslyn Chapel
William Sinclair lebte im 15. Jahrhundert und sein Reich war zweigeteilt: Oben im Norden war er der Jarl, also Graf, der Orkney Inseln und Caithness. Im Süden, unterhalb von Edinburgh aber war er Baron von Roslin. Orkney unterlag eigentlich noch der norwegischen Herrschaft, Roslin der schottischen – er hatte also zwei Könige. Ab 1456 ließ er die Kirche errichten, in der er schließlich 1484 begraben wurde.
Gebaut wurde im gotischen Stil, dessen Merkmal unter anderem die Strebwerke an den Seiten sind. Die darauf sitzenden spitzen Türmchen sind übrigens kein reines Zierwerk, sondern geben den seitlichen Streben durch ihr Gewicht zusätzliche Stabilität. Fialen nennt man sie.
Interessant ist auch der auffällige gotische Grabstein vor der Kirche. Er erinnert an Francis Robert St Clair-Erskine, der sich im 19. Jahrhundert um die Renovierung der Kirche kümmerte.
Persönliche Bemerkung: Trotz vieler Besucher ein echtes Erlebnis
Nicht zuletzt die Nähe zur Hauptstadt Edinburgh macht die Rosslyn Chapel zu einem vielbesuchten Ausflugsziel. Auf dem Gelände verlaufen sich die Touristen aber meist etwas. Es kann gut sein, wie wir, recht früh dort aufzutauchen. Die Kirche frei zu fotografieren kann schwer werden, denn das möchte eben jeder, was dann in etwa so aussieht.
Anfahrt:
Mit Navigationsgerät: „EH25 9PU“ ist der Postcode, den man eingeben kann, um nach Roslin zu kommen. Die Kapelle befindet sich in der Chapel Loan.
Ohne Navi: Kommend vom City of Edinburgh Bypass die Ausfahrt nach Peebles nehmen. Im Kreisverkehr unten die Ausfahrt „Peebles“ nehmen und zunächst weiterhin „Peebles“ auf der A701 folgen. Am Ortsausgang Bilston dann schräg links auf die B7003 wegfahren. Hier weist bereits ein braunes Schild auf die Rosslyn Chapel hin. Dieser Straße kerzengerade in den Ort Roslin folgen und auf die braunen Hinweisschilder achten. Vor dem Visitor Centre liegt ein großer Parkplatz für PKWs.
Kann man auch mit dem Bus von Edinburgh nach Roslin fahren oder sogar laufen ?
Mit Bus ja, Lothian 37 nach Pencuik braucht etwa 50 Minuten. Zu Fuß: Zirka 3 Stunden.
Sehr gute Beschreibung, die Geschichte ist gut aufbereitet. Auch der Hinweis auf Queen Viktoria ist kurz und bündig gehalten. So möchte man eigentlich eine erste Erfahrung über ein Bauwerk geniessen. Es hat mir Spass gemacht.
Besten Gruss Heiko Gallin
I have a little booklet from 1827 describing Rosslyn Chaple and castle with 6 lithos, in case you are interested I would send it to your adress.
Regards
Klemens