100.000 exotische Pflanzen, ein viktorianisches Gewächshaus und eine bewegte Geschichte – der Royal Botanic Garden Edinburgh bietet ein besonderes Naturerlebnis in Schottlands Hauptstadt.
Irgendwann im Jahr 1670 pflanzten zwei Wissenschaftler bei Holyrood Abbey die erste Pflanze aus einem anderen Kontinent. Ihre Namen: Robert Sibbald und Andrew Balfour. Sie legten den Grundstein einer Sammlung, die heute als Royal Botanic Garden Edinburgh bekannt ist.
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Das war keine gute Zeit damals: Religionskonflikte tobten in Schottland. Die hygienischen Zustände Edinburghs waren grauenhaft und begünstigten Ausbrüche der Beulenpest. Nichts, was einen an grüne Gärten voller bunter Pflanzen denken lässt. Doch vielleicht waren es genau diese Zustände, die eine Hoffnung brauchten – in Form neuer Heilpflanzen oder einfach nur der exotischer Schönheit.
Mit dem britischen Weltreich wuchs über die Zeit auch die Sammlung. 1820 zog der botanische Garten dann an den heutigen Ort in Inverleith. Kein Wunder, denn der heutige Garten braucht mehr Platz: rund 100.000 Pflanzen erstrecken sich auf dem weitläufigen Gelände und in den zehn Gewächshäusern.
Darunter das berühmte und wunderschöne „Temperate Palm House“ – sicher das bekannteste Gebäude auf dem Gelände und immer noch das größte Palmenhaus der Vereinigten Königreichs. Dabei ist es nur der Eingang zur zusammenhängenden Welt der Gewächshäuser des Royal Botanic Garden Edinburgh.
Wenn die Brillen der Besucher im Inneren nach dem Beschlagen wieder klar werden, fühlen sie sich nicht nur in einen anderen Kontinent versetzt, sondern – wenn sie genau auf den Boden schauen – in eine andere Zeit, in der Dinosaurier durch die Wälder streiften. Denn im Stein finden sich Abdrücke der ausgestorbenen Herrscher der Erde.
Natürlich sind diese Abdrücke nicht echt, die Platten sind künstlich hergestellt. Die Pflanzen allerdings nicht.
Es gibt in den Gewächshäusern einen echten Star: Amorphophallus titanum, zu Deutsch „Titanenwurz“. Um Insekten anzulocken, verbreitet die Pflanze einen Gestank, wenn sie blüht – und das tut sie so selten, dass bei der letzten Blüte 2015 um die 20.000 Besucher kamen. Ansonsten zeigt sich die Pflanze entweder nur als Knolle oder als eine Art Baum.
Mittlerweile gibt es daneben einen Amorphophallus konjac, Teufelszunge. Sie blüht immerhin jeden März. Die Blüte wird dabei bis zu 55 Zentimeter groß. Verfolgen kann man beide Pflanzen übrigens auf hier auf Twitter.
Um dieses und andere Wunder am Leben zu halten, arbeiten rund 100 Wissenschaftler am und im botanischen Garten von Edinburgh. Aber keine Sorge: Es wird nicht trocken – in den Gewächshäusern sowieso nicht. Denn auf der großen Gartenanlage finden sich auch kleine Kunstwerke und Installationen. Aktionen wie die Lichterschau im Winter bringen immer neuen Schwung auf das Areal.
Wer Schottland kennt, weiß, dass es kaum eine Sehenswürdigkeit gibt, die nicht auch ein Café bietet. Das gilt freilich auch für den Royal Botanic Garden Edinburgh. Von dort aus haben Besucher sogar einen passablen Blick in Richtung Stadt.
Die Geschichte, das Wissen, die Bilder in diesem Beitrag … am Ende werden sie diesem großen Garten nicht gerecht. Denn wenn er erst anfängt zu blühen, sieht sich der Besucher mit einer Farbenpracht und Düften konfrontiert, die sich nicht mehr in Text einfangen lassen.
Wissen: Das Inverleith House im Royal Botanic Garden Edinburgh
Ein Gebäude sticht im Park heraus: Inverleith House ist ein alter Herrensitz, der im Jahr 1773 geplant und errichtet wurde. Als dann der Botanische Garten von Edinburgh im 19. Jahrhundert sein neues Zuhause in Inverleith fand, durfte der jeweilige Direktor hier wohnen.
1960 diente das Haus dann als die Scottish National Gallery of Modern Art. Der wurde es allerdings bald zu klein, sie belegt nun zwei wesentlich größere Häuser. Dennoch gibt heute im Inverleith House noch Kunstausstellungen.
Anfahrt:
Wie überall in Edinburgh gilt: „Everything is 20 Minutes away.“ Zu Fuß dauert es von der Princes Street im Zentrum genau so lange. Dabei sieht man durchaus auch einige interessante Ecken der Stadt.
Mit dem Auto steuert der Fahrer am besten Inverleith Terrace und Arboretum Road an. Dort gibt es viele Stellplätze, die allerdings unter der Woche Geld kosten.
Mit dem Bus ist es leichter. Lothian City Busses 23 und 27 haben beide eine Haltestelle namens „Royal Botanic Gardens“ am Ost Tor des Parks.