Echt jetzt? Toiletten als Sehenswürdigkeiten? Oh ja. Warum die Victorian Toilets auf der Isle of Bute einen Besuch wert sind – selbst ohne Harndrang.
Nach der langen Schiffspassage sollten sich die Gentlemen am Pier erst einmal erleichtern dürfen. Die meisten von ihnen kamen schließlich per Schaufelraddampfer aus Glasgow den Fluss Clyde hinunter. Der Begriff „doon the watter“ bedeutete im 19. Jahrhundert Ferien im Westen zu verbringen. In Dunoon, Gourock oder eben auf der Isle of Bute.
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Empfangen wurden die Reisenden auf der Isle of Bute dank des Rothesay Harbour Trust seit 1899 von einer Toilette, auf der sie nicht nur Wasser lassen, sondern sich auch etwas frisch machen konnten. Und das mit dem höchsten Komfort damaliger Zeit: die 20 Pissoirs umfasst von einer Keramik in Marmor-Optik. Sechs davon bilden eine Art Turm in der Mitte, dessen Krone von einigen grünen Pflanzen gebildet wird.
Die Wände sind mit bunten Kacheln verkleidet und der Boden mit Mosaiken ausgelegt, die am Eingang das Wappen der Stadt Rothesay formen. Die Wasserspülung kommt durch Kupferrohre aus hoch aufgehängten Becken, die seitlich verglast sind. Kurz: Britanniens Größe sollte auch während der Notdurft zu erkennen sein.
Doch irgendwann Mitte des 20. Jahrhunderts versiegten die Besucherströme zur Isle of Bute. Das aufwendige Toilettenhaus war nun eher eine Last denn eine Erleichterung. Schließlich kostete die Instandhaltung Geld.
Es grenzt fast an ein Wunder und hat sicherlich auch viel mit persönlichem Einsatz einiger Menschen zu tun, dass die Victorian Toilets in Rothesay heute zu einer Sehenswürdigkeit der Insel gehört, die aber oft nicht von den Touristen wahrgenommen wird.
Moment! Jetzt ist hier stets nur von den Herren die Rede. Doch was ist mit den Damen? Tatsächlich gab es um die Jahrhundertwende keine Toiletten für Frauen in dem Gebäude. Heute ist das freilich anders, doch so schön wie die der Herren sind sie dennoch nicht.
Doch keine Sorge: Wenn kein Herr sich gerade erleichtert, dürfen auch Frauen die Männertoilette betreten und deren Prunk betrachten.
Wer rein möchte, der muss zahlen – dafür sorgt das Personal am Eingang. Allerdings hält sich der Betrag in Grenzen und dafür erzählen die Toilettenfrauen einen auch gerne das ein oder andere Detail. Sie erzählten uns schließlich auch, wie die Frauen im 19. Jahrhundert auf Toilette gingen: gar nicht.
Heute gilt das nicht mehr. Und neben Damentoiletten gibt es hier nun auch Duschen und einen Ort um Babys zu wickeln.
Wer also beim Warten auf die Fähre von Rothesay nach Wemyss Bay sich die Zeit etwas vertreiben will, verlässt das Auto für ein paar Minuten und bestaunt die wunderbaren Victorian Toilets direkt am Pier.
Wissen: Die Hersteller der Victorian Toilets
Die Pissoirs sind wirklich Kunstwerke. Sie tragen auch eine Produktionsmarke: Twyfords Ltd. Cliffe Vale Potteries, Hanley. Twyfords gibt es heute noch, die Firma baut auch immer noch Sanitärwaren. Rund um 1900 statteten sie Paläste genauso aus wie eben öffentliche Toiletten. Auch einen Namen trägt die Keramik: The Adamant. Adamant ist eine Bezeichnung für alles, was sehr hart ist.
Obwohl die schwarzgrüne Einfassung der Pissoirs aussieht wie Marmor, ist er in Wahrheit ein gutes Imitat. Das Muster wurde aufwendig und sorgfältig von Arbeiterinnen mit Leinen-Pads aufgetupft.
Die Schüsseln für das große Geschäft tragen übrigens auch einen besonderen Namen: the Deluge, „die Überschwemmung“. Zugegeben: wenig Vertrauenswürdig.
Heute kümmert sich die öffentliche und gemeinnützige Gesellschaft Bute Victoriana Ltd. um den Erhalt der Toiletten. Und das ist gut so, denn die Journalistin Lucinda Lambton veröffentlichte im Jahr 2007 das Buch „Temples of Convenience: & Chambers of Delight“ über besondere britische Toiletten. Die Toiletten von Rothesay bezeichnete sie dabei als „Kronjuwelen der Sanitäranlagen“. Sie als die schönsten Toiletten Schottlands zu bezeichnen ist daher sicherlich angebracht.
Tipp: Fotos sind erlaubt, wenn keiner sich erleichtert
Natürlich möchten auch die Betreiber, dass sich die Schönheit der Toiletten als Sehenswürdigkeit herumspricht. Schließlich steht die Finanzierung der Toiletten immer zur Debatte. 2013 etwa wurde die Unterstützung durch die Regierung fast halbiert.
Anfahrt:
Mit Navigationsgerät: „PA20 0DA“ führt einen nach Rothesay. Dort das West Pier am Hafen, direkt beim Fähranleger anfahren.
Ohne Navi: Von der Fähre rollend sieht man das Toilettenhaus gleich zur Rechten. Ist man auf der Insel hingegen schon unterwegs, sucht man in Rothesay einfach das West Pier mit dem Fähranleger – es geht direkt von der goßen Straße, der A844 ab.