Bisher war ich Europcar-Kunde. Doch ein platter Reifen führte mich in die Abgründe eines kundenfeindlichen Systems, aus dem ich bis heute nicht nicht wieder herausgekommen bin. Ein Erfahrungsbericht über Europcar UK.
Europcar und ich hatten auch gute Zeiten: Ich habe für meine Schottland-Recherchereisen immer wieder dort gebucht und zuletzt nicht einmal mehr mit anderen Anbietern verglichen. Ich gebe zu, einen Grund gab mir auch der Presserabatt, den ich in Anspruch genommen habe, aber ich war auch insgesamt zufrieden: die Buchung einfach, die Autos gut, der Service vor Ort fix und freundlich. Lediglich die ewigen Versuche, mir weitere Versicherungen aufzuquatschen, nervten ein bisschen. Ich ahnte noch nichts von den Erfahrungen in der Hotline-Hölle, in die mich Europcar Großbritannien während der nächsten Tage jagen würde.
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Ein platter Reifen: Auftakt einer langen Geschichte
Eines Sonntags-Morgens trat ich aus unserem Bed & Breakfast auf der Isle of Skye und erschrak: Der gemietete VW Passat hatte einen Platten. Wie gesagt, bis dahin war alles gut mit Europcar, aber dann rief ich das erste Mal bei deren Hotline an, und eine lange Leidenszeit begann.
Das erste was mir auffiel: Die Mitarbeiter hatten weder Geographiekenntnisse, noch Handlungsspielraum. Es war, als würde man gegen eine Wand reden. Man bot mir ein Ersatzauto an. So weit so gut. Aber ich müsse selbst zusammen mit dem Abschleppdienst zum Abholpunkt fahren – nach Inverness. (Hinweis: alles Gespräche wurden natürlich in Englisch geführt, ich habe sie im Folgenden sinngemäß übersetzt)
Dazu muss man wissen: Inverness liegt an der OSTküste Schottlands, vier Autostunden entfernt von der WESTlichen Isle of Skye. Vier Stunden einfach! Das war heute nicht mehr zu bewältigen und morgen früh mussten wir dringend die Fähre zu den Äußeren Hebriden nehmen. Würden wir sie verpassen, hätten wir keinen Schlafplatz mehr.
Doch so klar ich das auch erläuterte, der Mann am anderen Ende der Leitung kehrte immer wieder zu den gleichen Angeboten zurück.
Torn/Ripped: Der Autoreifen war vorgeschädigt
Unsere B&B-Gastgeberin gab mir den entscheidenden Tipp: Ich sollte wieder anrufen und dann sofort einen „Supervisor“ verlangen, denn nur der dürfe nach einer echten Lösung suchen, alle anderen Hotline-Mitarbeiter gingen streng nach Drehbuch vor. Zudem wies sie mich darauf hin, dass auf unserem Übergabezettel zum Autos stand: „Left Side: Front Tyre: Torn/Ripped“. Darüber war sie schier entsetzt! Ich hatte das als kleinen Kratzer verstanden, doch „torn/ripped“ scheint drastischer zu sein. Eher wie: „zerfetzt“.
Es stand fest: Der Fehler lag bei Europcar, dieser Mietwagen hätte uns nie für eine Fahrt in die Highlands gegeben werden dürfen.
Ich rief erneut an und man stellte mich auf Verlangen eines Supervisors ohne zu zögern zu einem Vorgesetzten durch. Der fragte zunächst nach einem Ersatzrad in unserem Wagen.
Europcars Zauberkunst: Das Ersatzrad, das aus dem Nichts kam
Beim Abholen wurden wir MEHRFACH und EINDRINGLICH darauf hingewiesen, dass kein Ersatzreifen im Auto wäre. Darum sagte ich wissensgemäß: Nein, kein Ersatzreifen. Der Europcar-Supervisor bat mich, dennoch im Kofferraum nachzusehen. Ich tat es und – oh Wunder – da lag ein Ersatzrad (den Hintergrund hat man mir später so erklärt: Man wolle nicht, dass Fahrzeugmieter im Notfall selbst Räder wechseln. Darum erzählt man ihnen vorsorglich, es sei kein Ersatz vorhanden – ob das genau so stimmt, kann ich allerdings nicht nachprüfen).
Der Europcar-Mitarbeiter besorgte uns dann einen Werkstattdienst, der uns tatsächlich das Rad austauschte. Und das war durchaus eine Leistung der Hotline. Denn jemanden in den schottischen Highlands an einem Sonntag dafür zu begeistern, ist nicht leicht. Well done, lieber Supervisor. Doch der sagte mir auch noch, ich solle damit bitte nur bis auf die Fähre fahren, am nächsten Tag würde jemand in Lochmaddy auf North Uist direkt beim Anleger auf mich warten und mir ein neues Rad montieren.
Ersteinmal war ich erleichtert. Der Urlaub konnte fortgesetzt werden.
Europcars Zahlenspiele: Warum ich sieben Mal bei Europcar anrufen musste
In Lochmaddy, drüben auf den Äußeren Hebriden, wartete ich wie vereinbart auf den Mann mit dem neuen Rad. Er kam nicht. Also rief ich wieder bei Europcar an – diesmal mit meinem Handy. Es gab in den Unterlagen extra eine Nummer für ausländische Mobiltelefone, die Kosten sparen sollte.
Zunächst ertönte eine automatische Abfrage: Wenn es um einen Reifenschaden ginge, solle ich die Taste drei drücken. Ich tat das. Eine Frauenstimme begrüßte mich und fragte mich, was sie tun könne. Ich erklärte meine Lage. „Oh,“ sagte die Frau, „da müssen Sie die Drei drücken. Sie haben die Zwei gedrückt für Glasschaden. Bitte rufen Sie erneut an und drücken Sie die Drei.“ Verwirrt legte ich auf, anscheinend hatte ich die falsche Taste auf dem Smartphone-Display gedrückt – konnte ja mal passieren.
Ich rief erneut an. Eine andere Frau, fragte freundlich, was sie tun könne. „Es ist wegen meines Reifens…“ Sie unterbrach mich: „Da müssen Sie aber die Drei drücken für Reifenschaden, sie haben die Zwei gedrückt für Glasschaden, bitte rufen Sie nochmal an und drücken Sie die Drei.“
So dumm konnte ich doch gar nicht sein. Na gut, aller guten Dinge sind … „Guten Tag, wie kann ich helfen“ – „Mein Reifen …“ – „Oh, für Reifenschaden müssen Sie die Drei drücken, wir sind …“ Noch einmal wurde ich abgewimmelt.
Beim vierten Mal unterbrach ich sofort und erklärte sehr ruhig und mit leicht gespannter Stimme, dass ich garantiert die Drei gedrückt hätte. „Rufen Sie von einem ausländischen Mobiltelefon an?“ – Was für eine Frage, schließlich hatte ich ja extra die Nummer für ausländische Handys gewählt: „Ja!“ – „Ach so, bei der Nummer funktioniert es manchmal nicht richtig mit den Zahlencodes, bitte rufen Sie die normale Hotline-Nummer an.“ Ich wählte zum fünften Mal. Hurra: Diesmal ließ mich die nächste Dame auch einmal reden.
Allerdings wisse sie leider nichts von den gestern getroffenen Verabredungen.
Europcars Gedächtnisverlust: Der verlorene Fall des Stephan G.
Ich fiel aus allen Wolken. Wie konnte das sein? Haben die kein System, dass offene Aufgaben speichert? Die Dame fragte mich, wo ich denn gerade wäre. „Lochmaddy auf North Uist“. Sie: „Können Sie nach Inverness kommen?“
Ich zählte langsam geistig bis zehn. Dann verlangte ich mit fester Stimme den Supervisor.
Ich erkläre ihm meinen Fall. Ja tatsächlich, so mein neuer Gesprächspartner nach einiger Recherchezeit. Leider habe man es nicht geschafft jemanden mit einem Ersatzrad zu finden, darum wäre auch niemand dort gewesen. Aha. Die Info hätte ich gerne vor einer Stunde gehabt.
Während ich mich mit Europcar-Hotline unterhielt, regnete immer wieder – Schottland-Wetter eben. Blöd nur: Immer wenn ein Schauer über mich hinwegszog, wurde die Verbindung schwach bis hin zu Unterbrechungen. Als ich schließlich zum siebten Mal bei Europcar anrief, verwies ich freundlich auf meine Gesprächskosten. Daraufhin versprach mir die Mitarbeiterin, sie würde mich sofort zurückrufen. Leider zog genau nun wieder ein Regenschauer über mich hinweg. In dieser Zeit hatte es die Mitarbeiterin versucht, das konnte ich am Display nach wenigen Minuten sehen.
Ich dachte, sie würde es nochmals probieren, aber ich hörte den Rest der Urlaubs nichts mehr von Europcar.
Glücklicherweise war das Ersatzrad ein vollwertiges Rad, nicht nur ein kleinerer Reservereifen. Ich entschloss mich einfach damit weiterzufahren. Mit einem mulmigen Gefühl.
Europcars Versprechen: Alles wird gut?
Den Rest des Urlaubs verbrachten wir ganz wunderbar. Nur vor der Abgabe des Autos war ich etwas angespannt. In Edinburgh ging ich in die Kabine und schilderte meinen Fall. Die Mitarbeiterin war sehr freundlich, blickte ins System und hob verwundert die Augenbrauen. Dieses Auto, so sagte sie mir, hätte niemals ausgegeben werden sollen. Es war stattdessen für die Reparatur angemeldet. Wegen des Reifens. Ein grober Fehler.
Ich machte klar, dass ich keinerlei Zahlungen in diesem Fall tragen werde, sie sagte, es sei kein Problem, sie vermerke klar im System, dass der Fehler bei Europcar lag und nichts berechnet werden solle. Ich war erleichtert und wir flogen nach Hause.
Im Flugzeug aber ärgerte ich mich dennoch ein wenig: Einen ganzen Reisetag, viele Telefongespräche und etliche Nerven hatte mich Europcar gekostet. Man hätte mir wenigstens einen Gutschein oder einen Rabatt gewähren können.
Aber nun würde ja alles gut werden, oder?
Europcars Abbuchung: Böse Überraschung auf der Kreditkarte
Einige Tage später im Online-Banking kam mir eine Abbuchung auf der Kreditkarte seltsam vor: 103 Pfund für Europcar? Wofür? Man müsste mir doch mindestens einen Beleg zukommen lassen?
Ich rufe bei Europcar in Deutschland an. Bei der Abrechnungsstelle, die wohlgemerkt sämtliche Zahlungsdaten in Europa sehen kann, fand der hilfreiche Herr allerdings keine Buchung. Er sagte mir, dass ich das direkt machen müsse, ich solle an folgende Email eine Aufforderung senden, mir sämtliche Beleg zum Zahlungsverkehr zukommen zu lassen. Die seien verpflichtet das zu tun. Ich schickte besagte Mail. Die Antwort kommt sofort – und automatisch. Darin wird auf eine Bearbeitungsfrist von zehn Tagen hingewiesen.
Zehn Tage? Da bin ich mit einem Postbrief schneller!
Nach schon sieben Tagen aber kam die Antwort: Der Vorgang gehöre nicht zu Europcar, ich solle mich bitte an die Versicherungsabteilung Europcars wenden, die habe etwas bei mir abgebucht. Ich rufe an.
Die Antwort: Ich hätte die Papiere bereits erhalten. Per Mail. Aha. Ich schaue eigentlich immer in meinem Spamordner nach, in diesem Falle suche ich nochmal darin und tatsächlich finde ich unter dem Absender „claimsadmin“ eine Mail ohne persönliche Ansprache mit dem Verweis „Urgent correspondence attached“. Darin dann ein angehängtes TIF-Bild sowie der Hinweis: „To open this attachment you may need to install Kodak Image Server from your Microsoft Windows Installation CD.“ – Ähm, ich habe aber einen iMac ohne CD-Laufwerk?! Und es wunderte mich gar nicht, dass Google das als Spam abserviert hatte.
Es handelt sich um einen winzigen Scan, der kaum lesbar ist, aber tatsächlich die Forderung nach Bezahlung der Werkstatt auf der Isle of Skye enthält. Eine aus meiner Sicht höchst unprofessionelle Art der Geschäftskorrespondenz, wenn es um eine unerwartete Kreditkartenabbuchung geht. Bezahlen soll ich das Radwechseln auf der Isle of Skye.
Ich meldete mich wieder dort. Machte meinen Standpunkt dazu klar: Keine Zahlungen, hatte es in Edinburgh geheißen. Stimmt! Stellte der Mitarbeiter fest. Ich bekäme das Geld darum auch zurückgebucht, sagte er. Wochenlang passiert nichts. Ich schreibe erneut, als Antwort erhalte ich einen gescannten Brief als TIF-Anhang in einer Mail. Darin der Hinweis, dass das Geld schon angewiesen worden wäre, aber er prüfe es noch einmal. Das war am 29. August.
Nun sind drei Monate ins Land gezogen seit dem Reifenschaden, und mein Geld ist immer noch bei Europcar. Ich habe nochmal eine Mail geschrieben, keine Antwort. Ich hatte Montag versucht telefonisch jemanden zu erreichen. Es geht niemand ran.
Nicht nur, dass ich einen Tag und viele Nerven verloren habe, dass Telefongebühren zahlen musste, nein, mir fehlt Geld, und die Umrechnung des Kurses wurde auch mir in Rechnung gestellt.
Ich bin einfach zutiefst enttäuscht.
Europcars Zufriedenheits-Management: Nicht vorhanden
Ich denke, ich habe Europcar jede Menge Chancen gegeben aus einen frustrierten Kunden wieder einen zufriedenen Kunden zu machen. Ich habe schon an die Facebook-Seite geschrieben und meinen Unwillen ausgedrückt. Keine Reaktion. Neulich kam eine Zufriedenheitsumfrage von Europcar per Mail, in der ich mein Missfallen über die Behandlung ausdrückte. Man konnte dort ankreuzen, ob man eine Kontaktaufnahme seitens eines Kunden-Managers gut fände. Ich kreuzte das an. Aber niemand hat sich je gemeldet. Obwohl ich sowohl in den Mails an Europcar UK als auch an die Versicherungs-Abteilung mehrfach und deutlich meinen Missfallen über die Behandlung ausgedrückt habe, hat sich nie jemand ordentlich um mich bemüht. Ein paar bausteinartige Entschuldigungsfloskeln waren alles, was ich für den Ärger, die verlorene Zeit und das fehlende Geld erhielt.
Stattdessen musste ich jetzt eine Zahlungsreklamation für meine Kreditkarte in Auftrag geben. Das ärgert mich.
Es ärgert mich so sehr, dass ich für die nächsten Reisen in Schottland Konsequenzen ziehen werde und auf Europcar künftig verzichte.
Update am 07. Oktober 2014: Das Geld ist endlich wieder auf meiner Kreditkarte. Ich vermute aufgrund des Antrags. Ich bin gespannt, ob die Geschichte damit nun beendet ist.